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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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der Dunkelheit. Auf ihr Zeitgefühl konnte sie sich nicht verlassen, aber es schien ihr, als ob fast jeden Tag eine der älteren Frauen sie aufsuchte. Es konnte wohl kaum ein Geheimnis sein, dass sie sich um sie kümmerten, aber die Männer taten so, als ob sie nichts davon wüssten. Sie wusste nun, dass sie sie bald freilassen mussten – es konnte etwas mit einem der Brunnen passieren oder eine der Winden fraß sich fest, und dann bräuchten sie ihre Hilfe.
    Sie erforschte die Logik ihrer Werkzeuge und die unerbittliche Vergänglichkeit der Zeit. Jedes Ticken jeder Sekunde jedes Tages war geistige Nahrung für sie. Sie hatte den Himmel schon vor Jahren vermessen und den Tanz der Sonne und des Monds und der Planeten vollkommen verstanden. Es war nun an der Zeit, sich zu vergegenwärtigen, wie Gott all diese Dinge in seinem Werk zusammengeführt hatte.
    Alles, was sie tun musste, war zu kopieren. Sie musste nichts erfinden.
    Also schnitt sie in der Dunkelheit, kratzte und feilte. Sie vermochte sehr kleine Dinge sicher in ihren Fingern zu halten, aber sie wusste, dass sie sie auch staubkörnchengroß hätte gestalten können, wären sie nur fest und sicher in passenden Zwingen fixiert gewesen. Die Späne wischte sie sorgfältig mit der Hand zur Seite und häufte sie nach der Beschaffenheit des Metalls auf, sollte sie sie für noch kleinere Federn benötigen. Auch abgeschnittene Scheibchen, die sich als Hebelscheiben für Drehungen verwenden ließen, die das bloße Auge kaum noch erkennen konnte. Die konnte sie hier in der Dunkelheit nicht bauen, nicht mit diesen Werkzeugen, aber sie konnte sich vorstellen, wie sie sie nutzen würde und wie sie funktionierten.
    Es gab auch Enttäuschungen, als ihr einige Teile aus der Hand fielen und andere nicht mit der notwendigen Laufruhe eingepasst werden konnten. Wo Clarence Davies diese Sachen für sie gestohlen oder wie er sie eingetauscht hatte, wusste sie nicht, aber er war ein unwissendes Genie. Wann immer sie ein weiteres Lager benötigte, entdeckte sie ein passendes Stück Metall, eine zusätzliche Spitze, die sie abtrennen konnte.
    Es war, als ob sie betete, nur dass sie in ihren Händen Metall hielt, nicht die losen Seiten aus den heiligen Schriften.
    Als Senhora Armandires kam, um sie herauszulassen, war Paolina fertig. Sie hatte ihre Werkzeuge und Geräte wieder in Clarence’ Beutel gepackt. In der Dunkelheit zu arbeiten hatte ihre Vorstellungskraft auf unvorstellbare Weise fokussiert und ihre Konzentration allein auf das zu erreichende Ziel gerichtet.
    Jetzt musste sie eine Zeit lang schwer krank sein und in echtem, ehrlichem Licht schlafen. Dann würde sie den Beutel erneut öffnen und nachsehen können, was sie erschaffen hatte.
    Draußen war alles so wie immer. Heuchelei, überall nur Heuchelei, wie der größte Teil des Lebens in Praia Nova. Sie ging langsam hinaus und stützte sich dabei auf Senhora Armandires Arm. Paolina sah, wie die Männer sie ignorierten, die Jungen sie anstarrten und die Frauen ihre Blick abwandten.
    »Soll ich daraus eine Lehre ziehen?«, krächzte sie schließlich.
    »Schweig, Mädchen. Du brauchst Ruhe in einem vernünftigen Unterschlupf. Wenn du über das redest, was geschehen ist, machst du es nur noch schlimmer.«
    In diesem Augenblick wusste Paolina, dass sie nicht in Praia Nova bleiben würde. Es machte nichts, dass sie über kein Luftschiff verfügte, das sie hinterfragen konnte. Wenn dieser dumme Junge, Clarence, es über a Muralha geschafft hatte, dann konnte sie das auch. Es war nur eine Frage der Entschlossenheit.
    Auch wenn es sicherlich eine gewisse Rolle spielte, auf dem Weg nicht getötet zu werden.
    Sie schlief zwei Tage am Stück und wachte nur kurz auf, um sich zu erleichtern und ein wenig Fischsuppe zu sich zu nehmen.
    »Sie haben die Netze ausgeworfen«, erklärte Senhora Armandires zwischendurch.
    »Von einem Boot?« Paolinas Stimme quietschte fürchterlich.
    »Von einem Floß.«
    »Idioten«, murmelte sie und versank wieder in Schlaf. Sie träumte von den mächtigen Wogen des Atlantiks, die gegen den Fuß von a Muralha brandeten.
    Als sie am dritten Tag schließlich aufwachte, fühlte sie sich fast wieder normal. Sie schien ihre Kraft zurückgewonnen zu haben, und ihre Augen schmerzten nicht mehr. Die Senhora saß am Fußende ihrer kleinen Pritsche in ihrem winzigen Haus. »Wir müssen reden.«
    »Ich höre.«
    Senhora Armandires spielte eine Zeit lang mit ihrer Mantille. Als sie zu ihrer Zufriedenheit festgestellt

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