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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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hatte, dass sie keine Fehler enthielt, sah sie Paolina an. In diesem Moment wurde dem Mädchen klar, wie alt die Senhora war. Nicht in Jahren vielleicht, aber in Bezug auf das, was die Sorgen aus ihrem Leben gemacht hatten. Sie hatte ein faltenreiches Gesicht, und ein Auge war milchig eingetrübt.
    A Muralha tötete die Menschen, langsam oder schnell, aber sie machte sie alle zu Märtyrern. Praia Nova als Siedlung mochte sich vielleicht aus Flüchtlingen, Rebellen und Überlebenden von Schiffsuntergängen zusammensetzen, was sie mit einem gewissen Maß an Stolz erfüllte, aber sie sollten hier eigentlich nicht sein. Niemand sollte hier sein.
    Nicht nur sie sollte von hier fortgehen.
    »Die fidalgos werden das nicht sagen …« Die Senhora hielt inne und suchte erneut in Paolinas Blick nach irgendetwas. »Es ist so schwer ein Mann zu sein.«
    Paolina musste lachen und erstickte fast daran.
    »Nein, nein. Achte meine Worte. Sie müssen so vielen Erwartungen gerecht werden; gegenüber Gott, gegenüber ihren Ahnen und gegenüber sich selbst.« Senhora Armandires hörte sich an, als ob sie sich selbst zu überzeugen versuchte. »Sie werden lieber sterben als ihre Schwäche einzugestehen. Und sich bei einer Frau zu entschuldigen, ist eine Schwäche. Also müssen wir ihre Worte aus ihren Taten herauslesen. Die fidalgos haben dir vergeben und bedauern ihr vorschnelles Handeln. Untergrabe ihre Würde nicht weiter, indem du Fragen stellst, ob nun vor den Leuten oder hinter ihrem Rücken. Bitte.«
    »Was ist kaputtgegangen?«
    Die Senhora senkte den Kopf. Sie stieß einen langen, tiefen Seufzer aus, der erahnen ließ, was für ein Lügengebäude sie aufrechterhielt. »Die Pumpe funktioniert nicht mehr. Das Wasser wird knapp. Wir müssen jetzt jeden Schluck hinauftragen oder aus dem Bach an der Grenze zu den Enkidus holen.«
    »Es ist ganz recht so, dass ich nicht in der Dunkelheit verhungert bin, wie sie es geplant hatten.«
    »Ihr Stolz … du musst dich immer an ihren Stolz erinnern und ihn respektieren.«
    Niemals , dachte Paolina, behielt das Wort aber für sich. »Ich werde die Pumpe reparieren. Dann erwarte ich, in Ruhe gelassen zu werden.«
    Senhora Armandires’ Augen funkelten. »Du bist immer noch ein Mädchen –«
    Paolina ließ ihren Zorn aufblitzen. » Ich bin die Einzige, die die Pumpe reparieren kann. Ich glaube, dass macht mich zu einem Mann ehrenhalber.«
    Die Senhora stand auf, klopfte ihre Mantille ab und verbeugte sich leicht vor ihr. »Es tut mir leid«, sagte sie, als sie ihr eigenes Haus verließ.
    Paolina fragte sich, ob das die einzigen ehrlichen Worte gewesen waren, die die Senhora heute zu ihr gesagt hatte. Im Endeffekt belog sie ohnehin mehr sich selbst als Paolina.
    Sie holte Clarence’ Beutel hervor. Sie war noch nicht soweit, ihn zu öffnen. Der grobe, kratzende, selbst gesponnene Stoff verhieß ihr Großes; mehr als alles, was sie bisher in ihrem Leben erreicht hatte.
    Paolina erinnerte sich, wie alles ineinandergriff. Wenn sie den Beutel öffnete und herausfand, dass sie in der Dunkelheit einfach nur Müll zu Staub zerrieben hatte, dann würde sie sich ins Meer stürzen.
    Also hielt sie ihn einen Zeit lang in ihren Armen, wippte vor und zurück und lauschte den Wellen, wie sie sich unter ihr an der Küste brachen. Sie fragte sich, wie viele Männer und Jungen beim Fischen auf einem Floß noch ertrinken sollten, bevor sie ihre Hilfe annahmen und mit ihr gemeinsam Boote bauten. Schließlich wurde ihr klar, dass sie das nicht mehr interessierte.
    Am nächsten Tag war Paolina wieder im Pilzschuppen. Sie hatte sich entschlossen, darauf zu warten, dass einer Männer sie darum bat, die Pumpe zu reparieren. Sie hatte dank der drei Wasserschläuche, die ihr Senhora Armandires gebracht hatte, noch genug zu trinken.
    Hier war es auch ruhig und dunkel, aber es unterschied sich sehr vom Wandschrank im großen Saal. Sie hatte sich entschieden, sich hier aufzuhalten – eine große Verbesserung. Niemand verbarrikadierte die Tür. Auch die Dunkelheit war anders, denn in ihr ließ sich die zarte Beschaffenheit der Pilze erkennen, und ihren Gestank konnte man nicht ignorieren. Die Fäkalien des Dorfs wurden hier ausgebreitet und genutzt, um den hier wachsenden kleinen braunen Zuchtpilzen ein stinkendes Bett zu bereiten. Von Zeit zu Zeit wurde dieser Nährboden auf die Felder ausgebracht, um ihn als Dünger zu benutzen.
    In anderen Worten war der Pilzschuppen wie die Feder im Herzen der Taschenuhr, die Energie

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