Die Räder des Lebens
speicherte und im Lauf der Zeit als Essen zum Verzehr ausgab, mit dem sie ihre Ernährung sicherstellen konnten.
Sie mochte die Idee. Es gab ihr das Gefühl einer sich mitteilenden Resonanz, und sie fragte sich, ob Gott eine Art himmlische Entsprechung für den Pilzschuppen hatte, in der Er am Uhrwerk seiner Schöpfung arbeitete.
Die Dinge, die sie in der Dunkelheit im Fieberwahn zurechtgeschnitten hatte, ließen sich nur schwer einordnen. Sie hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit Clarence Davies’ Taschenuhr, zumindest im Vergleich zu dem, was sie darüber hatte herausfinden können, bevor man sie eingesperrt hatte. Paolina hielt es für unwahrscheinlich, dass sie die Uhr zurückerhalten würde, nicht, solange es um den Stolz der fidalgos ging.
Unwichtig , dachte sie. Ihr Erinnerungsvermögen würde ausreichen. Sie machte sich daran, ihre Vision nachzubauen, wie die Energie der Schöpfung gesammelt und gespeichert wurde.
Es war nicht einfach. Ähnlich wie der Himmel war ihr Weg nur in sehr komplizierter Form und in filigranen Messingmustern vorhanden. Es gab eine Triebfeder, aber sie schien noch einige andere hergestellt zu haben, kleinere Federn, sowie eine Reihe winziger Zahnräder. Sie waren nicht so sauber geschnitten und gefeilt wie bei der ursprünglichen Taschenuhr, aber sie stimmten, auch ohne den schillernden Glanz.
Sie brauchte nicht alles von dem, was die Engländer benötigten. Wie Clarence ihr erklärt hatte, war sie mit den Uhren in einer Sternwarte außerhalb Londons in Gleichklang gebracht. Sie brauchte nur ein Modell der Welt. Der Himmel selbst gab demjenigen die Zeichen, die man benötigte, um die Zeit zu bestimmen. Sie machte sich nur Sorgen über die restliche Ordnung innerhalb der Schöpfung.
Paolina wollte nicht zur Bassett gehen und schon gar nicht den weiten Weg nach England, ohne etwas in der Hand zu haben. Diese großen Zauberer würden sich ihr Anliegen wohl kaum anhören, wenn sie nicht wenigstens ein Gesellenstück mitbrächte, um ihre Fähigkeiten zu beweisen.
Sie stellte sich vor, vor der Queen und ihrem Rat der Weisen und Zauberer zu stehen und ihr ihre eigene Taschenuhr zu zeigen, als Beweis, dass sie in die Fußstapfen Dents treten könnte, des Uhrmachers der Queen.
Hier war sie nicht viel mehr als ein Werkzeug für Pumpen und Hebel, und ansonsten ein lästiges Mädchen. Dort aber, nun ja … Wie würde ein Kaiserreich, das von einer Frau regiert wurde, nicht erkennen können, was sie zu leisten vermochte?
Wenn sie es ihnen nur zeigen könnte.
Paolina beugte sich zu ihren Teilen herab – langen, schmalen Hebeln mit gezahnten Arretierungen, abgeschrägten Rädern, kleinen Schneckengetrieben, Federn und Stiften. Aber in der Dunkelheit hatte sie eine Vision gehabt, und sie war mit ihrer Rückkehr ins Licht nicht gänzlich verschwunden.
Das erste Problem war, eine Platte oder einen Rahmen zu finden, auf dem sie ihre genialen Gedanken umsetzen konnte. Ihre Hand glitt erneut in Clarence’ Beutel voll gestohlener Schätze, um herauszufinden, ob es etwas gab, was in Größe und Gewicht dafür genutzt werden konnte. Es musste ein wenig größer als die Dent-Taschenuhr sein, denn ihre Werkzeuge waren nicht klein genug. Aber es würde etwas sein, was ein Mädchen in der Hand tragen konnte.
Am nächsten Morgen war Senhora Armandires schweigend um sie herumgewuselt, bevor sie Paolina mit ihren Gedanken alleinließ. Nachdem sie den dünnen Haferschleim zu sich genommen hatte, den die Senhora ihr auf den Tisch stellte, kehrte sie in den Pilzschuppen zurück, wo sie ihre Mutter und Clarence Davies vorfand, die auf sie warteten.
Clarence lächelte. Er wirkte ein wenig größer, ein wenig glücklicher. Vielleicht hatte er hier etwas gefunden, dachte sie, einen Sinn im Leben oder ein Zuhause. Praia Nova mochte erbärmlich sein, aber wenn man zwei Jahre in der Wildnis umhermarschiert war, mussten einfache Menschen, die zumindest einige Brocken Englisch beherrschten, ihm wie ein Geschenk Gottes erscheinen.
Ihre Mutter hingegen ließ ihre Schultern tiefer als sonst hängen. Die Jahre ohne ihren Vater hatten ihre Spuren bei Senhora Barthes hinterlassen. Paolina hatte merkwürdigerweise verpasst, dass ihre Mutter alt geworden war, aber es war unverkennbar – sie sah sie erschöpft an, und die zahllosen Falten ließen erkennen, dass die Zeit nicht spurlos an ihr vorübergegangen war.
»Me«, begann Paolina, hielt dann aber inne. Senhora Armandires hatte sie in der Dunkelheit aufgesucht,
Weitere Kostenlose Bücher