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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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setzte den Filter wieder ein und wollte gerade die Treppen hinaufsteigen, um die Pumpe erneut auszuprobieren, als sie überrascht aufschreckte, denn Clarence stand ihr im Weg.
    »Du gehst weg, nicht wahr?«
    Sie hatte sich dazu entschlossen, hatte es aber noch nicht in aller Deutlichkeit gesagt.
    Die Worte schwebten für einen Augenblick in der Luft und versetzten ihr einen Stich. »Ja«, sagte sie schließlich. »Ich will nach England.«
    »Hier ist es gar nicht so schlecht. Die Mauer ist …«
    »Schwierig?« Sie schob ihn vor sich her, damit sie beide die Wassertreppe hinaufgehen konnten.
    »Gefährlich.« Sie kletterten im Mondschein hinauf, während hinter ihnen in der Ferne Donner grollte. »Sehr lang. Du kannst es dir nicht vorstellen.«
    »Das stimmt«, gab sie zu. »Aber hierzubleiben ist falsch für mich. Ich bin nur ein Mädchen und werde niemals mehr sein.«
    »Niemand sonst, den ich bisher kennengelernt habe, hätte eine solche Pumpe bauen können.«
    Sie lachte. »Du bist Engländer. Du entstammst einer Nation aus Zauberern, die die Welt beherrschen. Selbst wenn einige von euch durchgeknallt sind.«
    » Ich bin kein Zauberer«, beschwerte er sich.
    »Ich könnte einer werden.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Ich muss es versuchen. Ich muss es herausfinden.«
    Oben probierten sie die Pumpe aus. Der Druck auf den Pedalen schien zu stimmen. Nach einigen Dutzend Tritten floss das Wasser. Sie stieg herab und ließ Clarence auf die Pedale steigen. Selbst im Mondlicht wirkte das Quellwasser schwarz. Es hätte auch Lampenöl sein können. Oder bagaceira . Die dunkle Flüssigkeit, die aus dem Bambusrohr hervorquoll, während die Pedale quietschten, war ganz gewiss das Lebensblut Praia Novas.
    »Ich muss los«, sagte sie.
    Er griff hinter den Schuppen und reichte ihr einen kleinen Segeltuchbeutel. »Senhora Armandires sagte mir, dass du das hier sicherlich haben wolltest.« Er lächelte schief im Mondlicht, das der nahende Sturm zu verdecken begann. »Ein zweites Kleid für die Reise, ein wenig Brot und ein Stahlmesser.«
    Das waren wahre Schätze in Praia Nova, gerade, wenn sie von einer Frau stammten. »Kommst du mit mir mit?« Sie hatte ihn nicht fragen wollen, aber sein Lächeln hatte einen stechenden Schmerz in ihrer Brust hervorgerufen.
    »N-nn-nein.« Nun standen ihm Schweißtropfen auf der Stirn, und sie musste lachen. »Die Senhora ist sehr nett zu mir. Sie ist –« Er hielt peinlich berührt inne.
    Ein weiterer Mann also, der sich auf eine Frau warf, auch wenn die Senhora leicht seine Mutter hätte sein können. Paolina wusste nicht, ob sie enttäuscht oder erleichtert sein sollte. »Nun. Danke.« Sie winkte ihm mit dem Beutel zu. »Dafür, und für die Metalle und Werkzeuge, die du mir gebracht hast, als ich in der großen Halle eingesperrt war.«
    »Das war das Werk der Senhora«, gab er zu. »Sie dachte, du wüsstest, was man tun könnte, wenn du nur die richtigen Sachen bekämst.«
    »Nach Osten also«, sagte Paolina. »Um die Bassett zu finden oder Afrika, was auch zuerst kommen mag.«
    »Hüte dich vor den Spinnen.« Er fröstelte, als ein klammer Windstoß sie erfasste und den Geruch von Regen und nahenden Blitzen mit sich trug. »Den Messingmenschen, die sich dazu herablassen mit dir zu reden, kannst du vertrauen. Sie halten ein Versprechen, wenn sie es geben.«
    »Spinnen. Messingmenschen.« Der Wind frischte auf, feucht und seltsam kühl. Sie wollte sich auf den Weg machen, bevor der Sturm die Küste erreichte und Praia Nova mit einem Regenteppich und Böen überzog, vor denen sich alle Fenster schlossen. Auf der uralten, erodierten Oberfläche von a Muralha gab es mehr als genügend Spalten und Höhlen.
    »Lebe wohl«, sagte er.
    Sie gaben sich die Hand. Was kümmerte er sie? Senhora Armandires hatte den englischen Jungen in ihrem Bett willkommen geheißen. Es war süß, und für eine Frau ihres Alters hatte sie eine wundervolle Figur. Das alles ging Paolina nichts an – sie hatte bis heute noch immer nicht ihre Tage gehabt. Was sollte sie dann mit einem Kerl anfangen?
    Sie drehte sich um und ließ Clarence stehen. Sie folgte dem Weg Richtung Osten, hinaus aus Praia Nova, hinein in die Wildnis der Mauer. Der Sturm hinter ihr würde etwas begraben, was niemand aus ihrer Geburtsstadt jemals wieder ausgraben würde.
    Paolina wünschte sich nur, sie hätte sich von ihrem Vater verabschieden können.
    Die Taschenuhr lag schwer in der Tasche ihres Kleids. Sie steckte eine Hand

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