Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
Vom Netzwerk:
Matrosen hektisch los, stürmten über das Deck, Leitern hinauf oder Luken hinunter, und brüllten in einem halben Dutzend verschiedener Sprachen.
    »Was ist denn los?«, fragte die Maske Poinsard Anneke, und hatte Mühe, sich bei dem Lärm verständlich zu machen. »Ich kann nichts erkennen.«
    »Zu den Booten am Heck.« Annekes Stimme klang hart, als sie mit einer Hand den Arm der Maske Poinsard packte, mit der anderen Childress. »Wir sollten uns auch Rettungsringe anlegen.«
    Childress wehrte sich dagegen, fortgezerrt zu werden. »Wenn wir ins Wasser müssen, dann ist hier die Chance auf eine Rettung doch recht gering.«
    In Annekes Augen lag Verzweiflung. »Das mag sein, aber das ist alles, was ich tun kann. Wenn ich mehr tun könnte, glauben sie mir, dann würde ich es.«
    »Unterwasser«, sagte Childress mit leicht panischer Stimme. »Sie haben ein Unterwasserschiff entdeckt.« Sie zermarterte sich den Kopf, um sich an den korrekten Begriff zu erinnern. » Sous-marin. Es ist ein Unterseeboot in der Nähe.«
    Die Maske Poinsard, die sich ebenso nicht fortbewegen ließ, wurde ein wenig nervös. »Die Royal Navy verfügt nicht über U-Boote.«
    »Nein«, sagte Anneke. »Aber die Chinesen. Ich bitte die Damen mitzukommen.«
    Ein weiterer Ruf vom Steuermann. Die drei Frauen blickten über die Backbordreling.
    Ein langer dunkler Rumpf erhob sich langsam über die Wellen, der nur einen einzelnen Turm oder Deckaufbau hatte. Matrosen strömten aus seinen Luken und brachten eine Kanone auf dem Vorderdeck in Richtung der Mute Swan in Stellung.
    Über und hinter ihnen war ein lauter Knall zu hören, gefolgt von einem grellen Kreischen. Kapitän Eckhuysen hatte seine erste Signalrakete abgefeuert. Childress hielt dies für einen vergeblichen Versuch, Hilfe zu rufen, denn selbst wenn das Zeichen entdeckt würde, wäre das nächste Schiff noch jenseits des Horizonts.
    An der Reling der Mute Swan nahmen die Männer mit Gewehren und Pistolen in der Hand Stellung. Ein halbes Dutzend ging in die Knie, das zweite halbe Dutzend positionierte sich dahinter, um das Feuer besser konzentrieren zu können. Das Geknatter ihrer Waffen tat Childress in den Ohren weh, und der Gestank des Schießpulvers war unglaublich ätzend.
    Der erste Schuss der Chinesen verpasste die Verteidiger, aber sein Luftsog zerrte an Childress’ Ärmel, bevor er die Reling vor ihr zerschmetterte. Ein fast fünfzig Zentimeter langer Teakholzsplitter schlitzte Annekes Unterleib auf wie ein Messer, das durch Butter fuhr. Die Frau brach auf dem Deck zusammen, und ihr rotes Blut verwandelte sich auf dem grünen Seidenkleid in Schwarz.
    Childress kniete sich neben die verwundete Frau, während die Maske Poinsard zurückwich. Anneke stank nach Blut und Eingeweiden und Urin. Sie hob ihre Hand in Richtung Childress, und ihre Finger griffen nach etwas Unsichtbarem in der Luft zwischen ihnen.
    »Ich wollte …«, sagte Anneke, aber dann verließ sie ihre Kraft.
    Die schwierige junge Frau atmete noch eine Weile lang, während um sie herum der Kampf tobte. Die Mute Swan krängte unter den einschlagenden chinesischen Geschossen. Die Matrosen fluchten, während das Nebelhorn an einer Stelle so lange ertönte, dass Childress fürchtete, taub zu werden. Dennoch kniete sie auf dem Deck, hielt Annekes kälter werdende Hand und fragte sich, was diese Frau wohl gewollt hatte.
    Die Beste zu sein, vielleicht. Oder einfach nur als guter Mensch anerkannt zu werden.
    Als die kleinen chinesischen Matrosen über die Reling strömten, mit ihrer goldgelben Haut und in ihren seltsamen blauen Uniformen, faltete sie Annekes Hände auf ihrem Bauch und küsste sanft ihre Augen, erst das eine, dann das andere. Dann stand sie auf, um sich dem zu stellen, was sie als Nächstes erwartete.

Vier
    Paolina
    Paolina erhielt zwei Tage später bei Sonnenuntergang Besuch von der Person, die Englisch sprach. Keiner der anderen hatte auch nur erahnen lassen, dass sie die Sprache verstanden. Während sich das Mädchen in ihrer Pflege befand, hatte sie es mit Portugiesisch versucht und mit ihrem gebrochenen Spanisch, selbst ihrem nur sehr kläglich vorhandenen Lateinisch, aber keine Antwort erhalten.
    Mittlerweile hatte sie sich ein wenig an die Gepflogenheiten dieses Volks gewöhnt, und Paolina hatte die Frau als eine Führerin dieses seltsamen Hofs ausgemacht – ihr Hals lag frei. Die ranghöchsten Bediensteten trugen dünne Seidenkragen, die von niedrigerem Status mussten sich mit schwereren Lederbändern

Weitere Kostenlose Bücher