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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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überbringt.«
    »Die Obrigkeit hat mir bezüglich eines Schimmers besonders deutliche Anweisungen erteilt.«
    »Wie lauten diese?«
    Nun klang er sehr verunsichert. »Ich habe jeden Schimmer zu töten, sobald ich seiner ansichtig werde.«
    Al-Wazir
    Der Dampfbohrer war noch komplizierter, als sich al-Wazir hatte vorstellen können. Unter dem Rumpf der Maschine befand sich eine Einrichtung, die die Gleise legte, auf der sie fuhr, im Einklang mit dem Vortrieb des Bohrkopfs. Die Gleise in Standardspurweite wurden im selben Arbeitsschritt mitverlegt.
    Ein kleiner Mann mit vernarbtem Gesicht und einer ölverschmierten Kappe, der einen Kopf größer als die anderen war, erklärte ihnen den Vorgang. Seinen Namen hatte er so schnell dahingemurmelt, dass al-Wazir ihn nicht verstanden hatte.
    »Wir nennen das ’n leichten Ritt, Sir. Sie könnte auf denen nich’ lange stehen, bevor sie zur Seite rutschen oder absinken. Können sie nicht festmachen, solange wir bohren. Wenn der Fels weich genug ist, dann geht’s schnell genug voran. Wenn der Fels hart ist, dann bohren wir ein Stück vorwärts, setzen sie dann ’n bisschen zurück, damit wir vor’n Bohrer kommen und die Gleise von Hand sichern können.«
    Nicht ganz der reibungslose Vorgang, wie ihn Ottweill in seinem Vortrag beschrieben hatte, aber es leuchtete ein. »Wie kommt ihr nach vorne? Sie füllt den Tunnel doch aus, oder?«
    Das Narbengesicht grinste über das gesamte Gesicht, und dennoch schien sein Mund nicht mehr als eine weitere Narbe in seinem Gesicht zu sein. »Der Bohrer höhlt ein Loch aus, das ’n bisschen breiter als sein Rumpf is’. Wir quetsch’n uns dann auf den Laufstegen entlang, an den Flanken, schlüpfen über der Fahrerkabine durch, über den Bohrkopf hinweg und schon sin’wer da.«
    »Nicht gerade viel Platz.« Ihm lief es kalt den Rücken hinunter. »Wer so was macht, der muss die Dunkelheit ertragen können und auch bei verdammt wenig Platz noch Spaß an seinem Job haben, oder?«
    »Wer die Erde liebt, der liebt sie, ob er nun auf ihr is’ oder darunter. Die meisten hier sind Bergleute, Sir, und fast alle aus Wales. Der Rest sind Eisenbahner.« Er hielt inne und fügte dann mit finsterer Miene hinzu: »Die ersten Eisenbahnen gab es unter Tage, Sir. Nehme mal an, das werden auch die letzten sein.«
    »Danke.« Der Bootsmann ging an der Seite des Dampfbohrers weiter und war froh, nicht mehr in der Nähe des Manns stehen zu müssen. Er würde einen Matrosen einer Tunnelratte jederzeit vorziehen, selbst wenn der Seemann besoffen und völlig hohl wäre.
    Er strich mit den Fingern über die gepanzerten Seiten des Dampfbohrers, direkt unterhalb der Laufstegstützen. Sie fühlten sich heiß an, was ihn ein wenig überraschte. Ähnlich wie der Tragkörper eines Luftschiffs wirkte auch dieses Ding größer, je mehr man sich ihm näherte, bis es die Grenzen der Zumutbarkeit überschritt und sich in seine eigene Landschaft verwandelte. Das hier war eine Bestie, ein landgängiger Leviathan, der an der Spitze einer biblischen Armee eine Stadt der Erzväter in Schutt und Asche legte. Al-Wazir konnte sich vorstellen, wie die jüdischen Krieger Jericho mit Hilfe einer dieser Maschinen erstürmten.
    Ihre eisernen Flanken schienen die Erinnerung an Sonnenlicht und das Leben unter freiem Himmel und die Welt der Menschen mit einem Achselzucken abzutun.
    »Steigen Sie in die Fahrerkabine«, forderte Ottweill, dessen Stimme direkt hinter al-Wazirs linkem Ohr zu ertönen schien, ihn auf.
    Der Bootsmann zuckte zusammen. Er hätte darauf schwören können, dass ihn weder Mann noch Junge, seitdem er alt genug gewesen war, um seine Hände zu Fäusten zu ballen, derartig hatte vorführen können. »Verdammt noch mal, du kleiner –.« Er riss sich zusammen und brachte sein Temperament unter Kontrolle. »Nein, ich glaube nicht, dass ich da reinpasse.« Dann atmete er tief durch und erschauderte.
    »Es tut mir leid, dass Sie Angst haben.« Ottweill zuckte mit den Achseln.
    Al-Wazir brachte seine zitternde Stimme unter Kontrolle. »Ich habe keine – Angst. Stellen Sie mir mit solchen Worten kein Beinchen, Professor. Ich habe mich schon schlimmeren Herausforderungen stellen müssen, als Sie es sind. Jedenfalls ist es für mich unerheblich. Ich habe nicht vor, jemals so ein Ding zu steuern, und die Luke ist wirklich ein bisschen eng für mich.«
    »2 400 Pferdestärken, Bootsmann.« Ottweill sprach leise weiter. »Sie ist das größte Gefährt, das sich jemals auf Erden

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