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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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um und ging den Dampfbohrer entlang zurück. Al-Wazir folgte ihm einige Schritte, bevor er seine Hand nach dem Professor ausstreckte und ihn am Arm berührte. »Sind Sie auch in der Bohrkrone gewesen?«
    »Natürlich.« Ottweill schient überrascht, dass al-Wazir ihn das überhaupt fragte.
    Kitchens verabschiedete sich an diesem Abend von ihm. »Ich muss wieder zurück nach London. Ich glaube, das Parlamentsmitglied aus Caernarfon würde es gerne sehen, wenn Sie sich ab sofort dem Professor anschließen.«
    »Das kann ich gut verstehen«, sagte al-Wazir. Sie durchquerten das mit Unkraut überwucherte Feld vor dem Aufzug, der aus dem Steinbruch hinausführte. Ein Pferdewagen mit Kutscher wartete auf ihn, aber der gute Mann schien nicht in Eile zu sein. Zumindest packte er seine Pfeife und die Zeitschrift recht gemütlich weg, bevor er die Zügel in die Hände nahm.
    Ob der Kutscher nun ungeduldig war oder nicht, schien nach al-Wazirs Einschätzung nicht wirklich von Bedeutung zu sein.
    »Herr Professor Doktor Ottweills ungewöhnliche Charakterzüge sind der Regierung Ihrer Kaiserlichen Majestät nicht unbekannt. Allerdings macht diese Verbindung aus
    ingenieurswissenschaftlichem Genie und außerordentlicher Zielstrebigkeit alle möglichen Risiken mehr als wett.«
    »Sir …« Al-Wazir hielt inne. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich als Bootsmann oder als Zivilist sprechen soll.«
    »Und wie würden beider Aussagen sich unterscheiden?« Kitchens Stimme war noch leiser als sonst und ließ einen besonders bedrohlichen Unterton erahnen.
    Al-Wazir hatte ganz bestimmt kein Interesse daran, sich mit dem schweigsamen Mann anzulegen. Er hatte Angst vor Rasierklingen in seinem Ärmel oder Säure, die man ihm in die Augen schleuderte. »Der Bootsmann würde sagen ›Sir, jawohl, Sir‹ und die Befehle, so gut er kann, ausführen.«
    »Ich habe noch nie von einem Bootsmann gehört, der sich dieser grundlegenden Haltung nicht bewusst gewesen wäre.«
    »Natürlich nicht. Die Aufgabe eines Bootsmanns ist es, dafür zu sorgen, dass der Kapitän das bekommt, was er wirklich braucht. Was in vielen Fällen nicht das ist, was er laut seiner Aussage haben will.«
    »Natürlich. Und der Zivilist …«
    »Oh, der fragt sich bloß, wer am Ende den Preis dafür bezahlt. Ich habe nämlich schon Offiziere wie ihn erlebt und mit einigen von ihnen an Bord gedient.«
    »Ihr Vertrauen in die Regierung Ihrer Kaiserlichen Majestät ist zur Kenntnis genommen.« Kitchens blieb kurz stehen und nahm seine Melone ab. »Ich fürchte, ich muss mich jetzt auf den Weg machen.«
    »Ich mich auch.«
    Kitchens drehte sich um und durchquerte das Feld bis zum Pferdewagen, der, abgesehen von der glühenden Pfeife des Kutschers, in der hereinbrechenden Dunkelheit nur noch als klotziger Schatten zu erahnen war.
    Al-Wazir rief ihm hinterher. »Die Mauer wartet auf uns, umgeben von afrikanischen Sümpfen und wirren Fieberträumen. Ich gehe nirgendwo anders hin, selbst wenn dieser Irre den Zug fährt.«
    »Das ist eine gute Zusammenfassung der Ihnen erteilten Aufgabe.«
    »Ich werde dafür sorgen, dass der Kapitän das erhält, was er braucht.«
    Als Kitchens in den kleinen Pferdewagen einstieg, überraschte er al-Wazir, indem er ihm die Hand reichte. »Alles Gute, Bootsmann«, sagte der schweigsame Mann. »Es wäre ein Verlust für England, wenn Sie nicht zurückkehrten.«
    Childress
    Als sich der Rauch gelegt und die Schreie aufgehört hatten, wunderte sich Childress, dass sie noch lebte. Anneke war natürlich tot. Die Mute Swan krängte so schwer nach Backbord, dass die Trümmer an Deck in die Speigatten an der Seite gerutscht waren. Das Schiff würde auf jeden Fall bald sinken. Drei bewaffnete chinesische Matrosen bewachten sie. Die anderen schlachteten den Rest von Kapitän Eckhuysens Mannschaft ab.
    Sie sah auf das Meer hinaus. Die Artillerie des chinesischen Wasserfahrzeugs war bereits auseinandergebaut und wieder unter Deck gebracht worden. Auch dort hielten bewaffnete Matrosen Wache.
    Die feindliche Besatzung schien einen baldigen Angriff zu erwarten, denn sie beeilte sich sehr. Eckhuysen hatte Signalraketen abfeuern lassen, aber abgesehen von einem anderen, noch getauchten Unterseeboot war zwischen der Mute Swan und dem Horizont nichts zu erkennen. Sollten sich Luftschiffe Ihrer Kaiserlichen Majestät in der Nähe befinden, so zeigten sie sich nicht, sondern versteckten sich am grauen Himmel.
    Childress saß da und wartete auf die Klinge oder die Kugel, die

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