Die Räder des Lebens
aber in die Seide schien ein Bild aus komplizierten Formen eingearbeitet zu sein. Sein Hut wirkte seltsam, ein kleiner, runder Pillbox-Hut, der aus derselben Seide wie seine Uniformjacke angefertigt, aber versteift worden war. Eine kleine, durchnässte Papierrolle war mit rotem Seidenfaden an der Vorderseite des Hutes festgemacht. Selbst seine Schuhe schienen aus Seide zu bestehen und wirkten daher eher wie blaue Handschuhe für seine Füße, und sie hätte niemals erwartet, dass ein Mann derartige Kleidung tragen würde.
Ein Mann, der niederträchtig und herzlos genug war, eine ganze Schiffsbesatzung umzubringen, aber auf der anderen Seite so liebenswürdig, dass er sie weder schlug noch mit Worten verletzte, als sie ihn vor seiner Mannschaft in Verlegenheit gebracht hatte. Childress fragte sich, wer er war und was er hier machte.
Abgesehen natürlich davon, dass er Untertanen der Englischen Krone ermordete.
Ihr Interesse löste sich in Nichts auf, als ihr eiskaltes Meerwasser ins Gesicht schlug. Der Ozean versuchte, sich einen Weg in das Boot zu bahnen. Um sie herum sah sie nur schäumendes, eiskaltes Grau und eine Rauchwolke, die von der Mute Swan aufstieg. Nicht einmal der strömende Regen hatte sie auflösen können.
Anneke war tot, Eckhuysen auch. Der lächelnde Schwede und alle anderen auch. Dass sie diesem Mann, der alle Menschen in ihrer Nähe ermordet hatte, ein Lächeln schenken konnte, war empörend. Wenn sie die Maske Poinsard fanden, würde der verhängnisvolle Trugschluss aufgedeckt werden und Childress Bekanntschaft mit dem Ozean machen.
Was, wenn die Maske tot war? , fragte eine trockene und logische Stimme in ihr. Anneke war zufällig gestorben. Durfte Childress, die eine Christin und ein weißer Vogel war, darauf hoffen, dass diese Frau dasselbe Schicksal ereilt hatte?
Ihre Entschlossenheit verwandelte sich erneut in Verzweiflung. Childress versuchte, Zuflucht in einem Gebet zu finden, aber die See war mittlerweile so stürmisch, dass sie die Worte nicht aussprechen konnte. Dann wurde sie von wartenden Händen nach oben gerissen. Kleine, ernst dreinblickende Männer, die sich am Deck hinter ihnen festgemacht hatten, zerrten sie zum Turm des Unterseeboots. Dort würden sie sie durch die Luke nach unten bringen, wo die Kanonen aufbewahrt wurden und all diese Männer lebten, während sie sich unter der Meeresoberfläche fortbewegten.
Sie war so tief betrübt, dass sie selbst die Neugier übergehen konnte, in Erfahrung zu bringen, was dieses Gefährt unter den Wellen, aber oberhalb des Meeresbodens hielt. Sie stießen sie eine enge Leiter hinab durch ein kleines Loch, während der Kapitän Befehle brüllte, um den schlimmer werdenden Sturm zu übertönen.
Die Gänge im Inneren waren unfassbar eng. Als das Schiff unter ihren Füßen rollte, lehnte sie sich einfach an die Wände, mal links, mal rechts. Zwei Matrosen, die in denselben groben blauen Stoff gekleidet waren, wie ihre Kameraden beim Angriff auf die Mute Swan , führten sie durch drei Luken, an denen sie sich die Knie verletzte, bevor sie ihr eine kleine Kabine zuwiesen. Sie war nur wenig größer als der Waschraum auf dem anderen Schiff.
Ihre Begleiter verbeugten sich mehrfach vor ihr, bevor sie sich vorsichtig zurückzogen und die Luke zuzogen, die mit einem düsteren, hohlen Klang ins Schloss fiel. Der Feststellhebel befand sich allerdings auf ihrer Seite.
Also keine Gefängniszelle, nicht im eigentlichen Sinn. Von einem Schiff, das unter Wasser fuhr, konnte sie natürlich nicht entkommen. Und mit ihren zahlreichen Gefängniswärtern konnte sie nicht sprechen, nur mit ihrem auf seltsame Weise galanten Kapitän.
Um in diesem Unterwassergefängnis am Leben zu bleiben, musste sie sich darauf einstellen, die Rolle der Maske Poinsard zu spielen.
»Ich werde überleben«, flüsterte sie, »und mir jeden Zentimeter und jedes Geräusch an diesem Ort einprägen. Sollte ich jemals wieder die Heimat zu sehen bekommen, werde ich in der Lage sein, jemandem meine Geschichte zu erzählen …«
Sie war sich nicht sicher, zu wem sie zurückkehren wollte. New Haven, wie sie es gekannt hatte, stand ihr nicht mehr offen. Eine Frau, die auch nur einen einzigen Tag fehlte, konnte nicht darauf rechnen, jemals wieder an dieser Stelle arbeiten zu dürfen. Es gab immer einen verdienstvollen Mann, der eine Familie zu ernähren hatte. Sie hatte nicht sonderlich viele Freunde, die sie willkommen heißen würden. Die Kirchengemeinde von St. John Horofabricus
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