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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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eine monatelange Reise auf wenige Stunden verkürzen.«
    Paolina war sich nicht sicher, ob sie der Obrigkeit so schnell begegnen wollte. Aber sie wollte immer noch mit ihrem Schimmer nach England gelangen, und das konnte sie nur, wenn sie sich der Obrigkeit stellte. »Ich komme mit dir. Doch bevor wir losgehen, möchte ich dich bitten, etwas von mir anzunehmen.«
    »Was soll das sein?« Er schien sowohl misstrauisch zu sein als auch ihrem Anliegen förmlich zu begegnen.
    »Einen Namen. Ich möchte dich etwas anderes nennen können als Messing. Wie sonst sollte ich dich in einer Stadt deinesgleichen ansprechen?«
    »Aber wir heißen alle Messing«, widersprach er. »So ist der Lauf der Dinge. Jeder versteht, was er sagt, wenn wir miteinander sprechen.«
    »Dennoch möchte ich dich mehr als nur das nennen.«
    »Welchen Namen würdest du mir geben?«
    Sie wusste nicht, ob er sich geschmeichelt fühlte oder ärgerte. Dennoch machte sie weiter. »Boas. Das bedeutet ›Stärke.‹ Boas war der Name der nördlichen Säule von Salomons Tempel. Du bist stark und ein Nachfahr Salomons durch den ältesten Messing. Und außerdem ist das gar nicht so viel anders als dein bisheriger Name, oder?«
    »In Salomons Sprache heißen wir alle nehosheth «, sagte er. »Was Boas nicht wirklich ähnelt, aber es bedeutet auch nicht ›Messing.‹ Ich danke dir dennoch.«
    »Gern geschehen. Boas.«
    »So sei es.« Er schien zufrieden zu sein, aber das würde er sicherlich nicht zugeben.
    Sie kämpften sich durch die Trümmer und die abgestorbenen Zweige dichten Strauchwerks, bis sie in der Mitte der Waffenkammer den Weg nach unten entdeckten. Er ähnelte dem Schacht unterhalb von Karindiras Stadt, nur dass hier Ketten und Kettenführungen in der Mitte zu sehen waren, während sie auf einer Metalltreppe nach unten krochen, die in der Wand befestigt war.
    »Was war das?«, fragte Paolina und schaute in das flackernde Licht der Fackel, die sie mit sich trug. Boas schien überrascht zu sein, dass sie ein solches Ding benötigte. »Es sieht wie eine Art Flaschenzug aus.«
    »Es gibt –« Boas zögerte, bevor er weitersprach. »Es gab hier vor langer Zeit ein Gerät, das mit Ketten in diesen Führungen nach oben gezogen und wieder hinabgelassen werden konnte. Eine Art Plattform, sozusagen. Die Kraft, die es nach oben zog, wurde mittels einer Reihe von Zahnrädern tief unten in der Erde entnommen, die sich in endloser Bewegung befinden.«
    »Du meine Güte.« Paolina hätte das sehr gerne gesehen. »Wie ein Parasit, der die überschüssige Energie eines größeren Systems stiehlt?«
    »Ja.«
    »Es musste etwas Vergleichbares in der Stadt gegeben haben, in der ich die Messingwagen zuletzt sah. Die Treppe umschloss einen großen Schacht, der für einen schlichten Treppenschacht viel zu groß zu sein schien.«
    »Korrekt.« Er ging weiter.
    Sie auch.
    Der Abstieg dauerte länger als in Karindiras Stadt. Verständlich, denn sie waren hinaufgestiegen, um die Waffenkammer des Westlichen Friedens zu erreichen. Sie nahm an, dass die Messingwagen auf einer Route fuhren, die in einer gleichbleibenden Entfernung zur Erdmitte angelegt war. Paolina war nicht begeistert von dem Gedanken, den ganzen Weg wieder hinaufzusteigen, sollten sich ihre Bemühungen als vergeblich erweisen.
    Boas ging die Treppe in der ihm üblichen Geschwindigkeit voran. War er zu Beginn noch ein schwaches Funkeln direkt vor ihr gewesen, so war er nach einiger Zeit einen Absatz voraus, dann zwei, bis er eine ganze Etage unter ihr war. Der einzige Grund, warum Paolina wusste, dass sie nicht allein in diesem Schacht war, war das Klappern von Boas’ Füßen auf den Metallstufen unter ihr.
    Mit der Zeit veränderte sich das Geräusch seiner Schritte von einem widerhallenden Scheppern zu einem gedämpften Pochen. Paolina hatte mitgezählt und wusste, dass er sich sieben Treppenabsätze vor ihr befand, bei vier Absätzen für eine Etage. Das ermutigte sie. Als sie den Steinfußboden erreichte, blieb sie stehen.
    Zu ihrer Linken befand sich auch weiterhin ein leerer Abgrund, in dem die Ketten und Kettenführungen verschwanden. Von unten konnte sie, gerade noch am Rande ihrer Wahrnehmung, ein zischendes, klickendes Echo hören. Sie hielt es für die Drehungen der Erde. Diese Geräusche zu hören, berührte Paolina zutiefst – sie spürte in der Dunkelheit, wie ihre Wangen rot anliefen.
    Sie hatte aber noch ein anderes Problem. Ihre schwelende Fackel war fast vollständig heruntergebrannt. Vom

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