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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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verschiedenen Aspekte Gottes genannt. Als ob seine Hände zwei unterschiedliche Dinge wären.«
    »Ich glaube, wir haben noch einen langen Weg vor uns, bis wir uns richtig missverstehen«, sagte Leung.
    Der Kapitän ließ sie mit dem Politoffizier und dessen Pistole allein. Childress jagte den letzten saftig angebratenen Zwiebeln mit den nutzlosen Essstäbchen hinterher.
    Und so verging eine Woche. Sie las alles über electrische Ventile und Schalter, und dann las sie alles noch einmal. Sie fand alles über die Leben der Heiligen Euphronios, Lupus, Padraig und Xanthippe heraus und wunderte sich die ganze Zeit, warum Frater Algys B. Huang, SJ, es für notwendig erachtet hatte, diese vier besonderen Heiligen in seinem kleinen Buch zu besprechen. Sie betrachtete die Postkarten aus Singapur so lange, bis sie ihre jeweiligen Inhalte über den imperialistischen Hund, Sir Thomas Stamford Raffles und den mächtigen Prinzen Parameswara auswendig kannte.
    Gelegentlich veränderte das Boot seine Geschwindigkeit oder seine Richtung. Manchmal änderte sich auch der Winkel zur Oberfläche, und sein Bug zeigte bald nach oben, bald nach unten, fest im Griff des Ozeans. In diesen Momenten wurde Childress von unerwünschter Panik ergriffen, dass über Wasser britische Angreifer oder ein Luftbombardement auf sie warten könnten.
    Sicherlich bemühte sich die Navy Ihrer Kaiserlichen Majestät gerade darum, die Schmach der verlorenen Mute Swan zu tilgen. Childress machte sich keine falschen Vorstellungen über ihren eigenen Wert. Die Maske Poinsard war eine bedeutsame Person gewesen, vielleicht sogar eine Herzogin, und man würde nach ihrem Verschwinden sicherlich nach ihr suchen.
    Essens- und Schlafphasen wechselten sich mit kurzen Panikattacken ab. Dazwischen aß sie Reis, schlürfte ihren Tee, leerte ihre Suppenschale und übte sich darin, die kleinen Stücke ihrer Mahlzeiten mit den unhandlichen Essstäbchen zu fangen. Und sie redete natürlich mit Kapitän Leung.
    »Gibt Ihr Volk zu, dass es Engel gibt?«
    »Engel?« Er runzelte die Stirn. »Wenn sie als Boten des Himmels verstanden werden, gewiss.«
    »Nein.« Sie dachte an den armen, jungen Hethor, den sie verloren hatten, als er sich daran gemacht hatte, die Hauptfeder der Welt wieder aufzuziehen. »Als Anführer der himmlischen Heerscharen. Sie tragen Schwerter, zur Bestrafung und Belohnung.«
    »Mit einem Schwert fällt eine Belohnung vermutlich recht knapp aus«, sagte Leung. »Aber nein, auch wenn unser Himmel ebenso wie die Nördliche Welt und die Hölle mit Geistern und Dämonen und Bürokraten gefüllt sind, so gibt es keine Engel im europäischen Sinne.«
    »Im biblischen Sinne, um genau zu sein.« Childress war sich nicht im Klaren, was ein europäischer Engel darstellen mochte. »Die Himmlische Hierarchie des Pseudo-Dionysius Areopagita erläutert diese Vorstellungen en detail . Ophanim, Throne, Cherubim … mehr Wesen, als sich die meisten heutzutage überhaupt noch erinnern wollen. Aber nicht notwendigerweise europäisch.« Sie hielt einen Augenblick inne, um ihre Gedanken zu sortieren. »Was ich damit ausdrücken möchte, ist, dass es unter den Engeln verschiedene Orden gibt, die in der europäischen Theologie beschrieben werden. Einige von ihnen mischen sich unter die Menschen.«
    »Erneut bin ich der Einschätzung, dass wir von einem richtiggehenden Missverständnis weit entfernt sind.« Leungs Lächeln erhellte sein Gesicht. »In den Himmlischen Gefilden gibt es sicherlich genauso viele Rangunterschiede, wie sie auf Erden existieren. Das Himmlische Königreich stellt schwerlich eine Ausnahme dar.«
    »Quod est inferius est sicut quod est superius, et quod est superius est sicut quod est inferius«, sagte Childress. Wie im Himmel, so auf Erden. »Meine Aussage ist die Folgende: Erinnern Sie sich an die schweren Erdbeben in der Nördlichen Hemisphäre vor zwei Jahren? Sturmfluten überschwemmten die Küsten auf der gesamten Welt, und selbst auf der Mauer kam es zu Zerstörungen.«
    »Ja. Unsere Astronomen verkündeten, dass die Zeit, die im Herzen der Welt schlägt, sich verzögert habe. Unsere Priester sagten, im Himmel tobe ein Krieg. Egal, wer von ihnen recht hatte, jegliche Kampfhandlung wurde eingestellt.«
    »Sie wurden eingestellt, weil ein Engel einen Jungen namens Hethor in Neu-England entdeckt hatte, den er damit beauftragte, die Hauptfeder der Welt zu reparieren.«
    Er lachte leise. »Ich glaube, diese Erklärung würde in den Gärten von Suzhou nicht auf

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