Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
Vom Netzwerk:
Gegenliebe stoßen.«
    Am nächsten Tag warnte Leung Childress, dass die Five Lucky Winds unter das Eis tauchen würde. »Wir könnten Schwierigkeiten mit unserer Atemluft bekommen. Alle Personen, die keine wichtige Arbeiten erledigen, sind angewiesen, in ihren Kojen zu bleiben und langsam zu atmen.«
    »Was geschieht mit Ihren Dampfkesseln?«, fragte sie.
    »Ihre Glut ist bereits gelöscht worden. Wir bewegen uns nur mit Hilfe der Electricität fort, und zwar bis wir ein Loch finden und auftauchen können. Dort füllen wir unsere Atemluft auf und lassen die Dampfkessel wieder anlaufen, um unsere Batterien aufzuladen.«
    »Und wie Robben so lange wie möglich nur kraft ihrer Atemluft tauchen, so hoffen auch wir auf ein Loch im Eis?«
    »Sie haben die Essenz der Eisenbambus-Flotte verstanden.«
    Sie hätte schwören können, dass die Stimme des Kapitäns nur so vor Sarkasmus troff, aber das wirkte äußerst unchinesisch auf sie. »Ein Gebet scheint angebracht zu sein.«
    »Wenn dies Ihrem Weg durchs Leben entspricht, dann ja. Ich muss Sie davor waren, dass Sie erheblichen Krach hören werden, der zuweilen sehr merkwürdig klingt. Die Kälte und die Strömung setzen dem Schiff ganz besonders zu.«
    »Ich werde so ruhig bleiben, wie es mir möglich ist«, sagte Childress. »Und ich werde beten, dass wir Luft und Licht auch im Eis finden mögen.«
    Leung nickte. »Sie möchten vielleicht zusätzliche Decken haben.«
    »Nicht, wenn sie den Männern genommen werden.«
    »So sei es.« Er verabschiedete sich von ihr.
    In den nächsten Tagen tauchte das Schiff tiefer, während sich die Propeller hörbar langsamer drehten. Sie hätte erwartet, dass sie unter dem Eis beschleunigten, um die andere Seite der Arktis schneller zu erreichen, aber vielleicht waren hohe Geschwindigkeiten in diesen Gewässern zu gefährlich. Die Five Lucky Winds lief insgesamt ruhiger, denn Einsatz der Electricität übertrug nicht dieselben Schwingungen auf den Rumpf wie die Wasserkessel der Dampfmaschine.
    Sie tasteten sich lautlos voran und tauchten immer tiefer. Das Wasser an den Wänden wurde noch kälter, und ihr Atem war als Nebel zu sehen. Childress beschränkte sich auf eine Mahlzeit pro Tag, die mit jedem Tag schlichter ausfiel: Sie bekam kalten Reis, der immer pappiger wurde, und zähes, eingelegtes Fleisch. Die Suppe löste sich in Nichts auf, und der Tee war nur noch lauwarm.
    Den Politoffizier konnte sie nirgendwo entdecken.
    Den Rest ihrer Zeit verbrachte sie in ihrer Koje. Sie betete, auch wenn ihr Gottes Erlösung unter gefrorenem Meereswasser kaum zugänglich erschien. Sie hielt es für viel wahrscheinlicher, dass sich das Göttliche im Sonnenlicht, in leuchtenden Farben und einer warmen Brise manifestierte, nicht in unterkühltem Metall und dröhnendem Lärm, den vielleicht die Bewegungen der Kontinente von sich gaben.
    Sie kämpften sich voran. Es blieb eisig, nasskalt und schwierig.
    Childress atmete flach und in ihre dünnen Kissen, um die Wärme ihres Atems zu konservieren. Ein grinsender Matrose überreichte ihr eine Seekarte. Die chinesischen Bezeichnungen konnte sie natürlich nicht entziffern, aber die auf ihr verzeichneten Küstenlinien des arktischen Ozeans waren ihr geläufig.
    Es war tröstlich, etwas Bekanntes mit sich zu führen, während um sie herum der Rumpf ächzte und knallte.
    Nach drei Tagen unter dem Eis wurden Glocken im gesamten Schiff geläutet. Sie spürte, wie der Rumpf wieder nach oben glitt. Ihr Atem schien kürzer zu gehen, aber Childress ermahnte sich deutlich, dass sie sich das nur einbildete. Sie drehte die Seekarte in ihrer Hand und suchte nach Grönland, der Baffininsel und dem goldenen Kreis, mit dem der Nordpol markiert wurde – und der in Schwarz getüpfelten Warnung, sich ihm nicht zu nähern.
    Es klopfte an der Tür. An der Luke, korrigierte sie sich selbst. »Herein.« Childress war überrascht, als sie Leung hereinkommen sah. Er trug einen seltsamen Steppanzug.
    »Möchten Sie vielleicht das Eis sehen?« Er reichte ihr einen weiteren Steppanzug, der ihr passen könnte. Ihr wurde klar, dass er gegen die Eiseskälte schützte.
    Childress erhob sich mit müden Gelenken. Leung half ihr, den Anzug anzuziehen, unmittelbar über ihrer Kleidung. Es fühlt sich an wie in den Wintern meiner Kindheit . Damals hatte man sie in der Hoffnung, sie vor Erfrierungen schützen zu können, auch in mehrere wärmende Schichten gewickelt. Die chinesischen Schneider schienen mehr Geschick als ihre verstorbene

Weitere Kostenlose Bücher