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Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Titel: Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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mir, wie man den eisernen Querbolzen vorschob, der die Tür von innen verschloss, und die Alarmanlage wieder einschaltete.
    »Ein Fehlalarm ist das Letzte, was wir brauchen, Oscar«, sagte Mr Applegate. »Scharen von Polizisten würden herbeischwärmen, Sirenen heulen, und wir würden uns jede Menge Ärger mit dem alten Pettishanks einhandeln!«
    Mr Applegate verdiente mit seinem neuen Job als Nachtwächter genug Geld, um eine Thermoskanne zu kaufen und diese mit heißer Schokolade zu füllen. Die tranken wir jeden Nachmittag gemeinsam, bevor wir uns der Modelleisenbahn zuwandten. Vor der riesigen Anlage, die die ganze Länge des Foyerseinnahm, befand sich ein kleines, mit Stechpalmenzweigen und roten Weihnachtsschleifen geschmücktes Blechgehäuse mit Münzeinwurf. Auf dem Schild stand:
    JUNGE SPARER!
    TRETET DEM WEIHNACHTSCLUB
    DER NATIONALBANK BEI.
    WERFT EURE ZEHNCENTMÜNZEN IN DEN SCHLITZ.
    JEDE MÜNZE LÄSST DIE ZÜGE FÜR FÜNF MINUTEN
    FAHREN!
    Ich musste dem Weihnachtsclub nicht beitreten. Mr Applegate konnte die Züge kostenlos fahren lassen, indem er eine an eine Schnur geklebte Zehncentmünze wieder und wieder einwarf. Ich behielt die Schnur um meinen Hals.
    Mr Applegate hatte den Blauen Komet auf die Pendelverkehrsstrecke der Süduferlinie gesetzt. Der Zug machte die Rundreise von South Bend nach Chicago. Ich beobachtete ihn über mehrere Schleifen, bevor ich meine Augen von ihm losriss. Es war fraglos mein Zug. Auf der einen Seite der Lokomotive war ein kleiner Kratzer, den mein Dad sorgfältigabgeschmirgelt und danach frisch mit kobaltblauer Emailfarbe überpinselt hatte. Im Panoramawagen waren die zwei Sitze, die Dad und ich so angebracht hatten, dass wir auf unserer Fahrt hinunter nach Atlantic City eine perfekte Aussicht auf den Atlantik haben würden. Die Fenster pflegte mein Dad mit einem Lederlappen zu putzen, sodass sie immer blitzblank waren, und das seitliche Gestänge an der Lokomotive glänzte wie Silber.
    Natürlich hatte Mr Pettishanks Dads selbst gebastelte Anlage durch die teuren Original-Tunnel, -Berge und -Bahnstationen von der Lionel Company und anderen Herstellern ersetzt. Im Osten lag der Grand Central Bahnhof von New York. Wenn man in die gewölbten Plexiglasfenster schaute, konnte man die winzigen Lichter der Tierkreiszeichen sehen, die die Decke beleuchteten. Unzählige kleine Zinnfiguren bevölkerten die Anlage. Dutzende Menschen strebten hierhin und dorthin. Zehn Gleise liefen in den Grand Central. Zehn weitere führten in die Chicago Dearborn Station hinein und auf der anderen Seite heraus. In der Nähe floss ein Mississippi aus saphirblauem welligem Glas, mit flimmernden elektrischen Lichtern, sodass es aussah,als würden sich die Wellen kräuseln. Im Westen erhoben sich die Rocky Mountains, deren mit künstlichem Schnee bedeckte Gipfel alles überragten. Eingebettet in die Berge überstrahlte die Denver Union Station wie ein Stern an der Spitze eines Weihnachtsbaums das übrige Land. Die Rockys wuchsen gute eineinhalb Meter über die Gleistrasse empor.
    Hinter all den Bergen und Ebenen lag das Land meines Herzens, Kalifornien. Mr Pettishanks’ Kalifornien war mit winzigen Orangenhainen aus sorgfältig zu Bäumen modelliertem Seeschaum bedeckt. Die Gärten waren über Hügel und Täler verstreut, die den letzten Bahnhof der Anlage umgaben, den Bahnhof von Los Angeles, der bis ins kleinste Detail originalgetreu nachgebildet war. Diesen Bahnhof hatte ich noch nie im Lionel-Katalog gesehen. Er musste von einem Fachmann für Miniaturgebäude geschaffen worden sein und kostete wahrscheinlich ein Vermögen.
    Der Gehweg, der um den Bahnhof herumführte, war mit gelben Ziegelsteinen gepflastert, genau Stein an Stein gefügt und zu einer wirklichkeitsgetreuen ziegelartigen Oberfläche aufgeraut. Auf dem Gehsteigbei den Eingangsstufen blinkte ein winziges rotes Signal mit dem Wort TAXIS . Drei gelbe Miniaturtaxis mit Schachbrettmuster standen dort aufgereiht. Auf dem Dach jedes Wagens war ein kaugummigroßes IN BETRIEB / AUSSER BETRIEB -Signal angebracht. Wenn Mr Applegate die Bahnhofsbeleuchtung einschaltete, warteten die Taxis mit angeknipsten Scheinwerfern und IN-BETRIEB -Lichtern auf Fahrgäste.
    »Der alte Pettishanks besitzt inzwischen so ziemlich alles, was im Lionel-Katalog angeboten wird«, sagte Mr Applegate. »Er liebt seine Modelleisenbahn. Er kommt jeden Morgen vor Öffnung der Bank und lässt die Züge eine Stunde lang fahren, während er seinen Kaffee trinkt und seine

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