Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie
»Nun, Oscar. Gestern Abend auf der Cocktailparty haben Dutch und ich uns mit Inspektor Hissbaum unterhalten. Du erinnerst dich, er ist der Chef des FBI hier in Los Angeles. Verstehst du, Oscar, vor zehn Jahren warst du Zeuge eines Raubmords und deine Aussage muss der Polizeizur Kenntnis gebracht werden. Sonst machen wir uns der Verschleierung eines Schwerverbrechens schuldig.«
Ich nickte und zog die Bettdecke bis zum Kinn herauf.
»Inspektor Hissbaum wird uns also einen Besuch abstatten«, fuhr Mr H. fort. »Hizzy ist ein prima Kerl. Er hat eine raue Schale, aber nichtsdestotrotz ist er ein prima Kerl. Er kommt zum Frühstück.«
Um nichts in der Welt wollte Dutch auch nur eine Minute eines Frühstücks mit dem Chef des FBI versäumen. Er erschien mit einer viereckigen Büchse Ahornsirup.
Alma bereitete für uns alle Toast mit Butter und Sirup. Miss Chow zwinkerte mir zu und fächerte die Lokalzeitungen, allen voran die Los Angeles Times , auf dem Esszimmertisch auf. Mein Schulfoto aus der fünften Klasse nahm die Titelseiten von vier Zeitungen ein.
VERMISSTER OSCAR OGILVIE JR.
NACH ZEHN JAHREN
IN BEVERLY HILLS AUFGETAUCHT!
Der vermisste entführte Junge hält sich in Joan Crawfords Villa in der Bristol Avenue auf. Wo war das Kind die ganze Zeit? Auf irgendeinem Dachboden an einen Heizkörper gefesselt? Ist er nach zehn Jahren in einem Baumhaus zum Skelett abgemagert? Was ist mit den Tätern? Die Verbrecher befinden sich noch immer auf freiem Fuß!
»Wer hat das den Zeitungen gesteckt?«, fragte Mr H. eisig. Ich hätte nie geglaubt, dass Mr H.s angenehme Stimme so kalt, so zornig klingen könnte.
»Scheint, als hätte ein Reporter gestern auf der Party unser Gespräch belauscht, alter Freund«, vermutete Inspektor Hissbaum.
»Ich will nicht, dass irgendjemand weiß, dass Oscar hier ist!«, sagte Mr H. »Öffentlichkeit schafft Ärger!«
Inspektor »Hissy« Hissbaum hatte eine Paradeplatzstimme und ein dazu passendes Gesicht. »Kamerad, wenn der Junge der Richtige ist«, sagte der Inspektor, »dann wird die Geschichte morgen früh die Schlagzeilen sämtlicher Zeitungen des Landes beherrschen.« Hissbaum starrte mich mit seinem Falkenblick unverwandt an. Er hatte einen Stapel alterFotos von mir in der Hand, meine Schulbilder aus der vierten und fünften Klasse, um ein Vielfaches vergrößert. Auf einem grinste ich in meiner Ministrantenkleidung in die Kamera. Inspektor Hissbaum blickte von den Fotos auf mich und wieder zurück, dabei aß er seine Toastscheiben, ohne auf seinen Teller zu schauen. »Junge«, sagte er, als er seinen Kaffee ausgetrunken hatte, »im Dezember 1931 , nach deinem Verschwinden, erging ein Aufruf an sämtliche achtundvierzig Staaten von Amerika. All diese Fotos sind seit dem Weihnachts-Überfall in unseren Akten. Der Chef des FBI von Chicago war ein Spitzenmann. Pearly Gates, der Beste auf dem Gebiet. Es war ein Fall von höchster Wichtigkeit, Pearlys Baby. Er hat ihn nie geknackt. Wir hatten zehn Suchmannschaften mit Spürhunden auf deine Spur gesetzt, Oscar, einhundert Sonderbeauftragte. Wo zum Teufel bist du gewesen?«
Ich schaute Hilfe suchend zu Dutch und Dad.
»Ich hab schon einiges erlebt, Junge«, versicherte mir Mr Hissbaum. »Du kannst mich nicht schockieren. Was haben sie mit dir gemacht? Dich in einen Affenkäfig gesteckt? In einen Wandschrank eingesperrt? An einen Baum gekettet?«
Alle Einzelheiten vom Vorabend noch frisch im Gedächtnis, begann ich zu erzählen.
Als ich geendet hatte, fischte Inspektor Hissbaum eine Zigarre aus seiner Hemdtasche. Es war eine Macanudo. Er zündete sie an. »Ich werde dich testen, Oscar«, sagte er und stieß eine große Wolke blauen Rauchs aus. »Lass dir Zeit, Junge, aber gib die richtige Antwort. Nütze deine Chance. Okay?«
»Ja, Sir!«, antwortete ich.
»Wie viele Schüsse gaben die Räuber auf das Tresorschloss ab?«, fragte er.
Ich dachte nach und rief mir die Situation ins Gedächtnis. »Drei«, antwortete ich.
»Wie viele Schüsse töteten den Nachtwächter?«
»Einer ins Herz. Einer in den Kopf.«
Inspektor Hissbaum nickte. »Schließ die Augen, Junge. Denk scharf nach. Einer von ihnen hat während des Diebstahls etwas fallen lassen. Was war das und was war darin?«
Ich ging den ganzen Bankraub noch einmal in meinem Kopf durch. Fallen lassen? Was fallen lassen? Ich fing von vorne an. Ja, natürlich! »Die Bargeldschublade des Schalterbeamten«, antwortete ich. »Und nichts war drin.«
Inspektor Hissbaum blies einen
Weitere Kostenlose Bücher