Die rätselhaften Worte
Sir.«
»Haben Sie was rausgekriegt?«
»Nichts Wesentliches.«
»Dafür haben Sie aber ziemlich lang gebraucht«, sagte Pascoe vorwurfsvoll. »Sie waren doch nicht etwa im Lesesaal und haben sich wieder an dieses Mädchen rangemacht?«
»Nein, Sir«, erwiderte Hat empört. »Sie ist krank geschrieben.«
»Ach ja? Und woher wissen Sie das? Macht nichts. Hören Sie, jemand hat angerufen und wollte Sie dringend sprechen. Sie heißt Angie. Ich fragte mich, ob sie eine Informantin ist, die Sie versehentlich nicht registriert haben? Oder ist sie ein anderes Herzchen von Ihnen, das Sie in Schwierigkeiten gebracht haben?«
Angie? Einen Augenblick lang fiel ihm dazu gar nichts ein. Doch dann erinnerte er sich an Jax Ripleys Schwester.
»Nein, Sir. Aber es ist privat.«
»Tatsächlich? Hieß Ripleys Schwester, die wir auf ihrer Beerdigung kennengelernt haben, nicht auch Angie?«
»Ja, Sir«, sagte Bowler und dachte
Scheiße!
»Ich habe ihr gesagt, wenn sie über Jax reden möchte, könne sie mich jederzeit anrufen.«
»Vielleicht hätten Sie Sozialarbeiter werden sollen«, meinte Pascoe. »Aber wenn sie irgend etwas sagt, was für den Fall relevant sein könnte, denken Sie dran, daß Sie Ihr Gehalt als Polizist beziehen, ja? Und Sie sind so schnell wie möglich wieder hier, okay?«
»Ja, Sir.«
Pascoe ist aber ungewöhnlich schlecht gelaunt, dachte er, als er abschaltete.
Er wühlte in seiner Brieftasche, bis er den Zettel fand, auf dem er sich Mrs. Ripleys Telefonnummer notiert hatte. Angie meldete sich beim ersten Klingeln.
»Ich muß am Wochenende zurück in die Staaten«, erklärte sie, »und wollte nur hören, was Sie mit den Unterlagen anfangen konnten, die ich Ihnen gegeben habe.«
»Ich arbeite noch daran«, antwortete er ausweichend. »Es ist eine sensible Angelegenheit …«
»Der Dreckskerl, der meine Schwester niedergestochen hat, war jedenfalls nicht sensibel«, gab sie zurück. »Dieser Georgie Porgie, wird der verhört?«
»Nein … ich meine, wir wissen ja nicht genau, wer es ist, oder?«
»Wie viele Kollegen haben Sie denn, auf die diese Beschreibung zutrifft?«
»Mehr, als Sie denken«, antwortete Hat. »Glauben Sie mir, Angie, wenn es hier irgendeinen Hinweis gibt, der uns hilft, Jax’ Mörder zu fassen, werde ich nichts unversucht lassen.«
Er bemühte sich, überzeugend zu klingen, merkte aber an ihrer Antwort, daß ihm das nicht ganz gelungen war. »Nun gut. Sie melden sich wieder? Ich verlasse mich auf Sie, Hat.«
»Das können Sie. Passen Sie auf sich auf«, sagte er und schaltete ab.
Er stand draußen vor dem Zentrum und versuchte, sich in gerechten Zorn darüber hineinzusteigern, daß ihm nichts anderes übrig blieb, als einen im Dienst ergrauten Detective seiner Würde und vielleicht sogar seiner Pension zu berauben. Aber ihm wurde einfach nur flau, wenn er daran dachte.
Er hatte das starke Bedürfnis, noch einmal mit Rye über die ganze Sache zu sprechen, aber nicht am Telefon. Außerdem war es eigentlich keine gute Idee, sie anzurufen. Wenn sie, womit zu rechnen war, im Bett lag und sich miserabel fühlte, würde sie nicht gerade begeistert sein, wenn irgendein Idiot sie rausklingelte, um zu fragen, wie es ihr ging.
Da war es schon besser, wenn er später mit ein paar Weintrauben und einer Schachtel Pralinen auftauchte. Wenn er sie so aus dem Bett holte …
Plötzlich sah er vor seinem geistigen Auge, wie die Tür aufging und Rye dastand, leicht zerzaust, in einem locker gebundenen Bademantel, der verlockende Einblicke auf festes, wohlgerundetes Fleisch gewährte, das wie eine von der Sonne verwöhnte Frucht durch rauschende Blätter schimmerte …
Ein sehnsuchtsvolles Stöhnen kam über seine Lippen. Eine alte Stadtstreicherin, die gerade vorbeikam, sah ihn besorgt an und fragte: »Alles in Ordnung, junger Mann?«
»Das hoffe ich«, sagte er. »Mich plagt nur der Hunger, Ma’m. Aber danke der Nachfrage.«
Er ließ eine Handvoll Kleingeld in eine ihrer Tüten fallen und ging beschwingten Schrittes weiter.
[home]
Sechsundzwanzig
P ascoe war ziemlich schlecht gelaunt.
Wield hatte wie gewünscht in Sheffield Erkundigungen eingezogen. Man hatte ihm ein paar magere Fakten über den Tod des Studenten geliefert.
»Anscheinend hat der Knabe sich ein bißchen schwergetan. Johnson war sein wichtigster Dozent, und er hatte dem Jungen klarmachen müssen, daß er rausfliegen würde, wenn sich seine Leistungen nicht verbesserten. Er saß gerade an einer Examensarbeit, die
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