Die rätselhaften Worte
verrate ich dir unterwegs.«
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Neununddreißig
U ngeachtet seines Versprechens zeigte sich der Dicke auf der kurzen Fahrt zum Kulturzentrum wortkarg, brach aber dann das Schweigen mit der vorwurfsvollen Bemerkung: »Du hast wohl deine Zunge verschluckt?«
»Verzeihung, Sir. Ich wollte Sie nicht stören.«
Hat hatte beschlossen, sich lieber doch nicht nach Mrs. Blossoms Tätowierung zu erkundigen.
»Einen guten Polizisten stört es mehr, wenn einer schweigt, als wenn er zuviel redet, mein Junge«, erklärte der Dicke mit Nachdruck.
»Ja, Sir. Und die zweite Regel, Sir?«
»Welche?«
»Die zweite Regel guter Ermittlungsarbeit. Die wollten Sie mir doch unterwegs verraten.«
»Die zweite besteht darin, keinen Vorgesetzten zu verscheißern, der dir Ärger machen könnte«, sagte Dalziel. »Nein, ich habe mir nur gedacht, wenn du und ich so traulich beisammen sitzen, wäre das doch eine gute Gelegenheit, mir ein paar Dinge zu berichten, die ich erfahren sollte.«
Oh, Scheiße! dachte Hat. Obwohl die arme Jax jetzt tot ist, fängt er schon wieder mit seinen Verdächtigungen an! Der alte Esel erträgt es nicht, daß er mal auf dem falschen Dampfer ist. Er ist überzeugt, daß ich sie mit Infos versorgt habe, und gibt keine Ruhe, bis er mir ein Geständnis abgepreßt hat. Ich könnte ihn jetzt wirklich scharfmachen und ihm erklären:
Ja, Sir, ich habe etwas zu sagen über die Informationen, die zu Jax the Ripper durchgesickert sind.
Und wenn er dann dahockt mit seiner selbstgefälligen siebengescheiten Miene und auf meine Beichte wartet, teile ich ihm mit, daß der Informant sein geiler alter Kumpel ist, der heute abend seine Abschiedsparty gibt. Und was macht er dann?
Was machte er dann? Das war die Frage. Vermutlich konnte er, wenn ihm so ein Vorwurf zu Ohren kam, die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen. Man mußte eine Untersuchung einleiten, und statt der Abendröte entgegenzusegeln, mußte der arme Georgie Porgie damit rechnen … Die möglichen Konsequenzen für Headingley hatte sich Hat ja oft genug ausgemalt.
Deshalb sagte er: »Eine Sache fällt mir ein …«
»Ja?«
»Sie wissen doch, daß Charley Penn Bücher schreibt? Ich habe nämlich über die Ausführungen von Dr. Urquhart nachgedacht …«
»Da wäre ich vorsichtig. So viel strahlendes Wissen kann einen erblinden lassen«, meinte Dalziel.
»… weil doch der Wordman so auf Wortspiele und so was fixiert ist, benutzt er vielleicht bestimmte gedruckte Texte als eine Art codiertes Evangelium. Und da frage ich mich, ob es sich nicht lohnen würde, Penns Romane genauer unter die Lupe zu nehmen …«
»Ach ja? Du meldest dich freiwillig, sie zu lesen? Da sind wir ja richtig, wo wir jetzt hinfahren.«
»Nein, Sir, das nicht unbedingt«, erwiderte Hat. »Ich meine, solche Bücher sind nicht ganz mein Fall, aber man könnte ja mit jemandem reden, der sich da auskennt …«
»Denkst du da an jemand Bestimmten? Doch nicht etwa an deine Freundin aus der Bibliothek?«
Mein Gott, das ist ja, als wäre dein Verstand ein Goldfischglas, und dieser fette Kater steckt einfach seine Pfote rein, wenn er Lust hat, dachte Hat.
»Ja, sie wäre vielleicht geeignet«, erwiderte er. Und weil das ein bißchen lauwarm klang, fügte er hinzu: »Sie hat mir auch schon geholfen, meine Ideen ein bißchen zu ordnen.«
Daß er einen Fehler machte, war ihm bereits klar, als die Worte über seine Lippen kamen.
»Schon? Langsam wird es wohl zur Angewohnheit, vertrauliche Dienstangelegenheiten mit hübschen Mädels zu diskutieren?« sagte der Dicke. »Das will ich nicht hoffen, mein Junge, denn das ist die zweite Regel, die ich dir ans Herz legen wollte. Wenn jemand dir an den Sack greift, sei es in böser oder freundlicher Absicht, dann lehn dich zurück und denk an mich. Denn so viel Schmerz oder Lust gibt’s nicht auf der Welt, um das aufzuwiegen, was ich mit dem Mistkerl anstelle, den ich dabei ertappe, daß er aus dem Nähkästchen plaudert. Habe ich mich klar ausgedrückt, mein Junge?«
»Ja, Sir, das haben Sie«, antwortete Hat bedrückt und wünschte sich aus ganzer Seele an einen anderen Ort.
Aber die von Natur aus durchdringende Stimme ließ sich wieder vernehmen, als sie aus dem Wagen stiegen. »Das mit Charley Penns Büchern war gar keine schlechte Idee«, sagte der Dicke. »Unterhalt dich doch mal mit deinem Mädel. Klingt ganz so, als schulde sie dir was. Nein, keinen Aufhupfer. Da mußt du schon selber mit ihr handelseinig werden.«
Noch
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