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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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anzusprechen. Die Masche hatte nicht funktioniert, aber immerhin dazu geführt, daß sie auf ihn zukam, als sie einen Polizisten brauchte. Im Grunde war es doch überhaupt erst der Wordman gewesen, der sie zusammengebracht hatte. Eine ungünstige Grundlage für eine Beziehung? Warum eigentlich? Wenn sich etwas Gutes aus etwas Schlechtem ergibt, darf man es ruhig annehmen.
    Auf der Website für Heimatgeschichte erfuhr er, daß das Jahr 1576 hauptsächlich von Grenzstreitigkeiten, Viehdiebstählen und Gotteslästerungen geprägt gewesen war. Die Strafen rangierten zwischen empfindlichen Geldbußen für jene, die den Namen des Herrn unnütz im Munde führten, und einem Loch, das man einem Mann mit einem glühenden Eisen in die Zunge brannte, weil er sich erdreistet hatte, zu behaupten, laut der Bibel solle der Vikar von seinen Einnahmen den zehnten Teil an seine verarmten Schäfchen abgeben und nicht umgekehrt. Der fragliche Vikar hieß Jugg und der Mann mit der losen, durchlöcherten Zunge Lamperley. Hat suchte nach einem Zusammenhang, fand aber nichts. Trotzdem notierte er sich die beiden Namen.
    Er sah auch die anderen Chronologien der Sozial-, Kulturund Religionsgeschichte durch, aber ohne Erfolg.
    Nun hatte er keinen Vorwand mehr, sich in der Bibliothek aufzuhalten. Trotzdem trödelte er, oder, wenn er sich selbst mit Polizistenblick betrachtete, lungerte er weiter an der Benutzertheke herum. Rye, die er durch die halboffene Tür des Büros beobachtete, blickte nicht ein einziges Mal von ihrer Arbeit auf. Es gab eine Klingel, mit der man auf sich aufmerksam machen konnte, und er war im Begriff, sie zu drücken, als jemand direkt neben seinem Ohr sagte: »Hallo, Mr. Bowler.«
    Er drehte sich um und sah dem freundlich lächelnden Franny Roote ins Gesicht. Ein Stück hinter ihm stand Charley Penn, der vollkommen fertig aussah und auf den Bildschirm starrte, dessen Inhalt Hat nicht gelöscht hatte.
    »Guten Tag, Mr. Roote«, sagte Hat sehr förmlich. Da Pascoe ihn vor der Durchtriebenheit des jungen Mannes gewarnt hatte, beschloß er, sich so undurchdringlich wie möglich zu geben.
    Penn trat auf die beiden zu. »Machen wir jetzt auch in Heimatgeschichte, nicht mehr bloß Vögel? Wohl auf der Suche nach der Erstbeschreibung des blauäugigen Grünschnabels im sechzehnten Jahrhundert?«
    »Die Geschichte der Ornithologie ist ein sehr interessantes Thema«, sagte Hat und überlegte, ob Penn vielleicht krank war oder nur unter einem Kater litt.
    »Wirklich? Wenn euresgleichen in der guten alten Zeit eine interessante neue Art gesichtet hat, wurde sie dann nicht kurzerhand abgeknallt, um sie näher in Augenschein nehmen zu können? Ein wenig extrem für meinen Geschmack, töten für ein Hobby.«
    Das Wort
Hobby
spie er aus wie eine lose Füllung und griff dann zwischen Roote und Hat hindurch nach der Klingel, die er energisch drückte. Dazu rief er laut: »Bedienung!«
    Rye erschien. Ihr Gesicht war so ausdruckslos, wie Hat sich das von seinem gewünscht hätte.
    »Tag, Fräulein«, sagte Penn. »Wo ist denn Ihr Aufseher?«
    »Mr. Dee ist in einer Besprechung. Ich weiß nicht, wann er zurückkommt.«
    »Eine Besprechung? Ach so, die Nachfolge. Sollen wir nach weißem Rauch Ausschau halten?«
    »Unter den gegebenen Umständen ist das eine ganz schön geschmacklose und unangebrachte Bemerkung, Mr. Penn«, entgegnete Rye und sah dem Schriftsteller fest in die Augen.
    »Finden Sie? Na, aber immerhin doch eine ganz schöne Bemerkung, oder? Ich wollte ihm gerade eine neue Version von
›Der Scheidende‹
zeigen, nehme aber gerne mit Ihnen vorlieb. Was halten Sie davon, das mit
›Man on his way out‹
zu übersetzen? Ist das zu frei?«
    Als er ihr ein Blatt Papier zuschob, wandte sich Hat ab. Er widerstand der Versuchung, sich einzumischen, denn das hätte ihm nur Penns Spott und Ryes Unmut eingebracht.
    »Ich würde Charley an Ihrer Stelle gar nicht beachten, Mr. Bowler«, murmelte Roote, der ihm gefolgt war. »Heute geht es ihm nicht besonders. Es sind doch bloß Worte. So ist er: Worte, Worte, nichts als Worte. Das hat alles keine Bedeutung. Oder immer gerade die, die er ihm geben will. Kommen Sie, kein Grund, den Kopf hängen zu lassen!«
    Hat, den es rasend machte, daß ihn ausgerechnet Roote zu trösten versuchte, erwiderte in scharfem Ton: »Sie dagegen sehen ja recht fröhlich aus, Mr. Roote. Irgendeinen besonderen Grund, warum’s Ihnen so gut geht?«
    »Himmel, merkt man mir das an?« rief Roote aufgeschreckt.

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