Die rätselhaften Worte
beiden Psalmen, die bei einem Trauergottesdienst gelesen werden sollten (nur einer war nötig, aber sie wurden mit beiden beglückt), zu Herzen genommen hätte. Sein zweiter Vers lautete: »Ich will meinem Mund einen Zaum anlegen, solange der Frevler vor mir steht!«
Mit dem schnarchenden Dalziel direkt vor sich konnte er doch kaum an der Anwesenheit des Frevlers zweifeln!
Pascoe fingerte durch die Seiten und las, was ihm zufällig vor die Augen kam. Da fand er etwas, das ihm neulich schon einmal untergekommen war.
Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich denn fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir denn grauen?
Psalm 27, den der Wordman so zu schätzen schien, gab er ihm doch (sofern Pottle recht hatte) das Gefühl, unverwundbar zu sein, weil er Weisungen aus einer anderen Welt befolgte.
Nicht ganz die gleichen Worte, wie ihm sein ausgezeichnetes (im Unterschied zu Wield aber nicht fotografisch zu nennendes) Gedächtnis sagte. Die Bibelversion hatte keine
denns
enthalten. Und die Überschrift hatte »Psalm von David« gelautet, wohingegen sich im Gebetbuch die ersten beiden Worte des lateinischen Originals
Dominus illuminatio
fanden. Nein, das war natürlich nicht das Original, sondern eine lateinische Übersetzung aus dem Hebräischen, wahrscheinlich aus der Vulgata des heiligen Hieronymus. Abgeleitet von
vulgatus –
öffentlich gemacht.
Seltsam, daß es einmal ein Zeitalter gegeben hatte, in dem man etwas mit einer Übersetzung ins Lateinische öffentlich machte!
Hatte all das irgendeinen Bezug zu der Jagd nach dem Wordman? Nicht den geringsten. Es war wie die Jagd nach dem Schnark. Das, wie der Bäcker fürchtete, sich vermutlich als Buuhdschamm herausstellen würde.
Bäcker. Baker. Komische Sache mit der Erinnerung. Auf der Uni hatte er einen Kommilitonen gehabt, der etwas zerstreut war und so wenig Eindruck machte, daß ein Spaßvogel von der Anglisten-Fakultät (dem natürlichen Lebensraum aller Spaßvögel) ihn Baker getauft hatte, weil – wie ging es noch?
Er gab Antwort auf »Hei!« oder jeglichen Schrei –
Etwa »Brat mich!«, »Verfumfeiter Zopfsums!«
Auf »Übrigens!«, »Du da!«, »Sein-Name-war-wie?«,
Aber meist, und am liebsten, auf »Dings-Bums!«
Schließlich hatten ihn alle Baker genannt, sogar die Dozenten. Ob er in Klausuren auch den Namen »Baker« auf sein Blatt schrieb und seinen Abschluß unter diesem Namen machte? Hatte er inzwischen erfolgreich seinen Weg gemacht, als Beamter oder Versicherungsangestellter, mit einer Mrs. Baker und einer ganzen Schar kleiner Bakers?
Schon seltsam, diese Namen. Charley Penn zum Beispiel. Getauft auf den Namen Karl Penck. Karl Kraut. Wie verletzend muß es sein, mit dem eigenen Namen verspottet zu werden. Wie sein Dichterheld, Heine. Vorname Harry. Den man mit Eselsgeschrei neckte. Bis er den Namen wechselte, und seine Religion dazu. Doch innerlich bleiben Narben.
Oder Dee. Auch er hatte es sicher nicht leicht gehabt. Orson Eric. Solche Namen sind für die kleinen Monster ein gefundenes Fressen. Aber wenigstens wiesen ihm die Initialen einen Ausweg. OED . Dick der Dictionary. Aber welche Bürde mußte er auf seiner Flucht mit sich schleppen?
Flucht. Verflucht. Verfluchter Roote. Der hatte seinen Namen nicht geändert, sah man davon ab, daß er die familiäre Form »Franny« dem offiziellen »Francis« vorzog. Aber er hatte das Gedicht bei Johnsons Beerdigung noch nicht vergessen: »… ein irres Geheimnis schlummert in deinen Worten … unter Steinen und Wurzeln …« Und auch nicht den spöttischen Blick, den ihm der Vortragende dabei zugeworfen hatte.
Oder hatte er sich das nur eingebildet? Und war sein Versuch, in diese Namensänderungen eine Bedeutung hineinzulesen, nicht nur Ausdruck seiner eigenen Paronomania? Im Grunde kam es doch gar nicht so selten vor, daß jemand einen ungeliebten Namen ablegte. Er brauchte gar nicht weit zu suchen. Da war der junge Mann neben ihm, der dem rührenden Glauben anzuhängen schien, ein aufstrebender Detective solle an der Beerdigung eines jeden Mordopfers teilnehmen. Für jemanden, der den Nachnamen Bowler trug, war es bestimmt nicht lustig, mit »Hat« angesprochen zu werden, aber wenn der richtige Vorname Ethelbert lautete, dann nahm man so einen Spitznamen gerne an! Und dann gab es noch privatere und intimere Formen von Namensänderungen: Jax (sie auch!) Ripley hatte Headingley »Georgie Porgie« genannt. Was natürlich nicht hieß, daß
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