Die rätselhaften Worte
»Tut mir leid, nach dem, was letzte Nacht passiert ist, muß das natürlich unpassend wirken, besonders hier. Aber vielleicht haben nur Sie das mit Ihrem geschulten Blick erspäht, für die gewöhnlichen Sterblichen sehe ich wahrscheinlich so aus wie immer.«
Nimmt er mich auf den Arm? fragte sich Hat. Und wenn, was kann ich schon dagegen tun?
»Und warum geht’s Ihnen so gut, Mr. Roote?« fragte er.
Der junge Mann zögerte, als überlege er, ob er seinem Gesprächspartner vertrauen könne. Dann schien er sich ein Herz zu fassen und begann: »Es ist ziemlich erstaunlich, wenn man die Umstände bedenkt, wissen Sie. Ich bin wegen Sam, Dr. Johnson, hierher zurückgekommen, dann mußte der arme Sam auf diese Weise sterben, womit ich auf einmal meinen engsten Freund verloren habe, und meinen Lehrer dazu. Ihm allein verdanke ich es, daß mein Studium eine Richtung bekommen hat. Die Sache hat mich ziemlich runtergezogen, Sie können das sicher nachempfinden, Mr. Bowler. Dann habe ich ganz unverhofft den Wettbewerb gewonnen, und das war der dringend benötigte kleine Aufschwung. Und daraus wiederum ergab sich … nun, es ist vielleicht noch ein bißchen früh, aber Charley, also Mr. Penn, gefiel die Geschichte so gut, daß er sie seinem Verlag gezeigt hat, dem sie auch gefiel. Und wenn sein Verleger ihn das nächste Mal besucht, will Charley mich mit ihm bekannt machen, und vielleicht können wir dann über ein paar weitere Geschichten reden, ein ganzes Buch, was für Kinder, Sie verstehen. Ist das nicht wunderbar?«
»Ja, toll«, sagte Hat. »Glückwunsch.«
»Danke, aber das ist noch nicht alles. Sam Johnson schrieb, wie Sie wissen, an einem Buch über Beddoes … der Dichter«, erklärte er als Antwort auf Hats verständnislosen Blick. »Frühes neunzehntes Jahrhundert, faszinierender Schriftsteller, den letzten Elisabethaner hat Strachey ihn genannt. Er kommt auch in meiner Abschlußarbeit vor, er hat mich mehr und mehr fasziniert, was einer der Gründe war, warum Sam und ich uns näherkamen. Nun, Sam hat anscheinend kein Testament hinterlassen, somit ist seine einzige nähere Verwandte seine Schwester, also Linda Lupen, die aus dem Europaparlament, Alleinerbin. Und sie hat die Nase so voll von den akademischen Aasgeiern, die überall herumschwirren und krächzen, sie seien Sams bester Freund gewesen und gerade ihnen hätte er sicher sein Material zur Fertigstellung des Buches anvertraut, daß sie sie alle zum Teufel geschickt hat! Sie hat mich eingeladen, und nachdem wir uns eine Weile unterhalten haben, meinte sie, Sam hätte mich in seinen Briefen oft erwähnt, und alles in allem habe sie den Eindruck – vorausgesetzt, ich wäre dazu bereit –, er hätte mich ausgewählt, um dieses Buch zu vollenden! Ist das nicht wunderbar?«
»Ja, wirklich toll«, meinte Hat, auf den die Vorstellung, das Buch eines anderen fertigzuschreiben, so verlockend wirkte wie dessen Suppe auszulöffeln. »Glückwunsch.«
»Danke, Mr. Bowler. Ich sehe, Sie verstehen mich. Viele Leute finden es sicher befremdlich, daß es mir kurz nach dem Verlust eines teuren Freundes so gut gehen kann, aber es ist, als habe Sams Tod meinem Leben eine ganz neue Wendung gegeben. Plötzlich liegt es vor mir wie ein Weg, der in eine klar umrissene, bedeutungsvolle Zukunft führt. Es ist beinahe so, als wäre all das so geplant gewesen, als ob da draußen jemand wäre, vielleicht Sam selbst, der mich mag und für mich sorgt. Als erstes bin ich heute morgen zum Friedhof gegangen und habe ein Dankgebet an seinem Grab gesprochen. Und einen Moment lang war mir so, als wäre ich dort unten mit ihm zusammen und würde mich mit ihm unterhalten wie in alten Tagen.«
Hat sah Roote in die Augen und entdeckte in ihnen das Feuer des Wiedererweckten. Er widerstand der Versuchung, zu sagen:
Wir könnten es schon arrangieren, daß Sie beide für immer beisammen sind.
Statt dessen meinte er knapp: »Toll. Sie entschuldigen.«
Hat wandte sich wieder der Theke zu. Rye und Penn waren miteinander fertig, oder zumindest war sie mit ihm fertig.
Der Schriftsteller entfernte sich und zwinkerte Hat im Vorbeigehen aufmunternd zu.
Rye verschwand im Büro.
Er rief ihren Namen, aber sie antwortete nicht. Von der Theke aus sah er durch die offene Tür, wie sie sich an den Schreibtisch setzte.
Vor ihm lag ein Blatt Papier, und er las:
Man on his way out
Within my heart, within my head
Every worldly joy lies dead
And just as dead beyond repeal
Is hate of evil,
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