Die Rättin
dort ein Eberkopf den Hausgiebel. Die Maschinistin entdeckt als Giebelschmuck Fortuna auf rollender Kugel. Und auf vielen Giebeln, nein, überall, in Torbögen eingelassen, über der Freitreppe zum Rathaus sieht die Alte und ruft: »Da, und da auch« das Stadtwappen, von dem Damroka erzählte aber nun schweigt sie -, es zeige einen heraldischen Truthahn über einer heraldischen Ratte.
»Dort«, ruft die Steuermännin, »gleich neben dem Rathaus, in dem der Frauenrat tagt, ist sicher das Frauenhaus. So hohe und schlank auslaufende Fenster kann nur das Frauenhaus haben.«
Und das Gebäude gegenüber, dessen Giebel von einer weiblichen Figur erhöht wird, die eine Waage hält, muß, nach Meinung der Meereskundlerin, der Ort sein, in dem die Schöffinnen Gericht halten. Überall entdecken sie Gehäuse und Plätze, geeignet, die Frauensache auszutragen, das Frauenrecht zu wahren, ihr Frauenreich zu errichten. Wie putzsauber die Stadt ist. Nirgendwo haften Tangbärte, kein Dach, kein Torbogen von Algen verkrautet. Man möchte Hinunter, Arm in Arm schlendern und gasselaufen. »Los!« ruft die Maschinistin, »wir besetzen Vineta!« »Klar« sagt die Meereskundlerin, »nichts wie runter.« Die Alte ruft: »Mir nach!« und will als erste springen, doch meint die Steuermännin, vor allen dürfe sie Vortritt haben: »Damit ihr klar seht. Ich habe mich für das Frauenrecht schon geschlagen, als ihr noch den Kerlen hinterdrein. Abhängig, freiwillig hörig seid ihr gewesen. Nicht wahr, meine Liebe, ich werde als Erste...«
Da sagt Damroka, die bisher nur in die Tiefe geschaut hat, wovon ihre Locken naß sind, zu den anderen Frauen und wohl auch zu sich: »Wir sollten uns schön machen, bevor wir in Vineta einziehen. So, in diesen Plünnen, können wir nicht nach unten.«
Wieder einmal ist meine langsame Damroka Kapitänin geblieben. Schnell sagt die Steuermännin: »Genau. Das wäre mein Vorschlag auch. Wir sollten uns rausputzen, schmücken und schön wie zu einem Fest sein.«
Also steigen die fünf Frauen noch einmal ins Vorschiff. Obgleich sie viel zu viel Zeit versäumt haben, gefällt es mir, sie in Seesäcken und Koffern wühlen zu sehen. Runter mit den verschwitzten Nachthemden!
Das darf ich sagen: keine ist mollig oder gar fettleibig geraten, eher sind sie mager bis dürr. Und alle haben sich, solange sie mir nah oder fremd gewesen sind, gerne mit Andacht schön gemacht, außer der Maschinistin, die am liebsten in schlottrigen Hängern rumlief.
Als hätten sie diesen Auftritt geahnt: erstaunlich, wieviel Auswahl ihr Seereisegepäck bietet. Sie breiten aus, wählen, verwerfen: knöchellange Kleider mit weiten gefältelten Ärmeln; Gewänder, deren Stoffmasse Schulterwürfe und Drapierungen erlaubt; Roben in feierlich strengem Schnitt; lustige Fähnchen, die Blumen und Früchte zu Markte tragen; Enges, dem nachgesagt wird, es sitze wie angegossen; Hosenröcke, die morgenländisch anmuten; Schleier, Schärpen, Schultertücher und Shawls jeder Länge. Und wieviel Schmuck für diese Reise vonnöten war: schwere Silbergehänge, roher Bernstein, zu langen Ketten gefädelt, und Elfenbeinketten, Korallenketten; obendrein Straßbroschen, Perlmuttfibeln, Armreifen aus Ebenholz, Onyx, Horn. Und Schuhe, Schühchen, Stiefeletten. Hüte sogar finden sich in Koffern und Seesäcken. Unterwäsche: schlicht oder durchbrochen.
Wie gut, daß an der Bretterwand, die das Vorschiff zum Bug hin abschließt, ein zwar gesprungener, doch immer noch tüchtiger Spiegel hängt, der Vergleiche erlaubt. Nur langsam finden die Frauen, was sie für passend oder kleidsam halten. Ich möchte, daß sie ihre Roben und Gewänder tauschen; aber sie wollen einander nicht gefällig werden, geben kein Fitzelchen her. Obgleich ich lieber Damroka als die Maschinistin im morgenländischen Hosenrock sähe und mir die Steuermännin weniger in gestrenger Robe, mehr im lustigen Fähnchen gefiele, verweigern sie, was mir gefällt. Allenfalls darf ich von diesem zu breiten Gürtel, von dieser Kette zuviel abraten, und zur Eile darf ich mahnen, denn Zeit, zu viel Zeit vergeht.
Meine zugegeben kleinbürgerliche Sorge, sie könnten sich aufdonnern, lächerlich aufgetakelt an Deck kommen, overdressed, wie man sagt. Schon fürchte ich ihren Auftritt; doch wie sie endlich den Niedergang hochsteigen, sind alle Frauen zusammen und jede einzeln schön: Die Meereskundlerin im engen, chinesisch an der Seite geschlitzten Seidenkleid, von einem spanisch anmutenden Schleier verhängt,
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