Die Räuber
Überraschung
selbst derer zeugte, die sie wohl schon öfters so geschmückt
gesehen.
„Mein Himmel,“ begann der alte Graf, „was bedeutet das,
Amalia, du bist ja geschmückt, als solltest du, eine frohe Braut,
vor den Altar treten.“
„Bin ich denn keine glückliche Braut?“ sprach Amalia mit
einem unnennbaren Ausdruck, kniete nieder vor dem Grafen
und beugte ihr Haupt, als flehe sie um seinen Segen.
Ganz verklärt vor Freude, hob der Graf sie auf, küßte sie
auf die Stirne und sprach dann: „O Amalia, wäre es möglich?
Franz — glücklicher Franz!“ — Graf Franz näherte sich mit
wankendem Schritt. Man sah ihm die Angst des bangen
Zweifels an. Amalia schauerte zusammen, dann ließ sie dem
Grafen willig ihre Hand, die er mit feurigen Küssen bedeckte.
Bei der Tafel blieb sie still und ernst, wenig teilnehmend
daran, was eben gesprochen, aber sichtlich weich gestimmt
und sich hinneigend den Worten Willibalds, der wie gewöhn-
lich ihr Nachbar, und dem übrigens zumute war, als sitze er
auf glühenden Kohlen. Seltsame Blicke warf Graf Franz her-
über auf das Paar, und Willibald mußte fürchten, daß Amali-
ens unerklärliches Beginnen, der wahnsinnige Gedanke, sich
plötzlich als Braut zu schmücken, um ihm mehr Aufmerk-
samkeit zu beweisen als jemals, noch einen argen Strich durch
die Lebensrechnung machen und zu einem heillosen Zwei-
kampf nötigen werde. — Es kam aber anders! — Als die Tafel
aufgehoben, nahm sie Willibalds Arm und eilte, während die
andern noch im Gespräch begriffen, so schnell von dannen,
daß sie sich plötzlich in dem entfernten Zimmer mit Willibald
allein befand. — Sie wankte, wollte niedersinken, da schloß
Willibald sie in seine Arme, und außer sich selbst, ganz Lie-
beslust, drückte er heiße Küsse auf die schönsten Lippen; da
lispelte die Gräfin: „Laß mich, o laß mich — entschieden ist
mein Schicksal — du kamst zu spät — o wärst du früher ge-
kommen — doch jetzt — o Gott!“
Ein Tränenstrom stürzte ihr aus den Augen, und sie verließ
das Zimmer in demselben Augenblick, als Graf Franz eintrat.
Willibald rüstete sich, einen harten Auftritt zu bestehen und
jeder Beleidigung des Eifersüchtigen mit dem Mut, mit der
Kraft des Mannes zu begegnen. Doch nicht wenig verwun-
dert war er, als der Graf in heftiger Bewegung auf ihn zutrat
und mit einem Ton, mit einem Blick, der genugsam davon
zeugte, wie sein ganzes Innres zerrissen, fragte: „So wie ich
höre, reisen Sie morgen früh mit Ihrem Freunde ab?“ — „Aller-
dings, Herr Graf“, erwiderte Willibald sehr ruhig und gelas-
sen. „Schon zu lange haben wir hier verweilt, und ein böses
Verhängnis könnte uns ganz ohne unsere Schuld in manches
verwickeln, das sich hier auf dem Schlosse zu großem Unheil
gestalten möchte.“
„Sie haben recht,“ sprach der Graf tief gerührt, indem heiße
Tränen aus seinen Augen perlten, „Sie haben recht, mein
Herr. — Nicht mehr darf ich Sie vor Armidens Zauberreize
warnen. Rinaldo reißt sich los mit männlichem Mut! — Sie
verstehen mich ganz. — Ich habe Sie beobachtet mit eifersüch-
tigem Mißtrauen — ich spreche Sie frei von aller Schuld —
o! — wäre es denn eine Schuld gewesen — doch still, nichts
mehr davon. So viel ist gewiß, daß irgendein unheilschwan-
gres Geheimnis waltet, aber die Kunst der Hölle gehört dazu,
es zu erraten.“ —
Die übrige Gesellschaft versammelte sich, der Geistliche
wurde abgerufen. Als er wiederkam, sprach er leise mit dem
alten Grafen, dieser erwiderte halblaut: „Sie ist eine über-
spannte Närrin, man lasse sie gehen!“ — Die Freunde er-
fuhren nachher von dem Geistlichen, daß Amalia seinen
Zuspruch verlangt und ihm allerlei seltsame Zweifel über die
Sünde, ewige Strafe u. s. w. aufgeworfen, dann, als er ihr un-
ruhiges, ganz verstörtes Gemüt beschwichtigt, so gut als er es
vermocht, aber erklärt, wie sie sich durchaus krank fühle und
den ganzen Abend in ihrem Zimmer eingeschlossen bleiben
werde. — Des Abschieds der Freunde halber floß der edle
Wein noch reichlicher als sonst und ließ die schwärmerische
Amalia vergessen samt ihrer Krankheit, die, wie der alte Graf
aus Erfahrung wissen wollte, auf leerer Einbildung beruhe.
Alles, vorzüglich Willibald, der sich bei dem Gedanken der
nahen Abreise aller Sorge entnommen und so leicht und froh
fühlte wie ein freigelassener Vogel, war und blieb bei der hei-
tersten
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