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Die Räuber

Die Räuber

Titel: Die Räuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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Schreiberei. Als ich nun
    mit dem Manuskript, das ich hervorgesucht aus dem Koffer,
    in der Hand herabkomme, gerate ich in meiner Zerstreuung
    in den großen Saal auf der linken Seite, der, wie du weißt, mit
    großen Gemälden behängt ist. Der Rubens, den wir schon
    neulich bewunderten, zieht mich aufs neue an. Indem ich
    nun aber davor stehe und ihn betrachte, geht eine Seitentür
    auf, und Gräfin Amalia tritt hinein. Du meinst, noch ganz
    verstört, ganz außer sich über das, was sich vor ein paar Stun-
    den begeben? — Nichts weniger als das! — Ganz heiter und
    unbefangen tritt sie auf mich zu und beginnt von den Gemäl-
    den und den verschiedenen Meistern, die hier versammelt, zu
    sprechen, indem sie sich vertraulich in meinen Arm hängt
    und langsam den Saal mit mir hinabwandelt. ‚Doch,‘ ruft sie
    endlich aus, als wir uns am Ende des Saals befinden, ‚doch,
    gibt es etwas Langweiligeres, als so viel zu sprechen von to-
    ten Bildern? Hat das frische Leben so wenig Anspruch an uns,
    daß wir uns davon abwenden? —‘
    Und damit öffnet sie die Türe, und wir durchwandeln zwei,
    drei Zimmer, bis wir endlich in ein mit dem ausgesuchtesten
    Geschmack dekoriertes Gemach treten.
    ‚Ich begrüße Sie in meiner Behausung‘, spricht Amalia und
    nötigt mich, neben ihr Platz zu nehmen auf dem Sofa.
    Du magst dir es vorstellen, daß mir in der Nähe des rei-
    zenden Weibes, die sonst mir schroff und kalt erschienen,
    jetzt die Anmut, die Lieblichkeit selbst war, ganz seltsamlich
    zumute wurde. Ich gedachte eben in den schönsten Redens-
    arten ganz ausnehmend liebenswürdig zu sein und rüstete
    mich, irgendeinen leuchtenden Geistesblitz abzuschießen, als
    mir die Gräfin mit einem Blick in die Augen starrte, vor dem
    ich augenblicklich verstummte.
    Sie nahm meine Hand und fragte: ‚Finden Sie mich schön?‘ —
    Sowie ich die Lippen öffnen wollte, zur Antwort, sprach sie
    weiter: ‚Ich verlange keine Schmeichelei, die mir in diesem Au-
    genblick nur zu abgeschmackt erscheinen müßte. Mir genügt
    ein einfaches Ja oder Nein!‘ — ‚Ja!‘ erwiderte ich nun, und ich
    möchte wohl wissen, wie dieses Ja! geklungen haben mag, das
    ich schnell ausstieß in einer Art von seltsamer Bestürzung.
    ‚Könnten Sie mich lieben?‘ fragte die Gräfin weiter, indem
    mir ihr Blick sagte, daß sie auch wieder nichts anders ver-
    lange als ein einfaches Ja oder Nein.
    Der Teufel nehme sich anders, ich habe kein weißes kaltes
    Blut, keine philisterige Fischnatur. ‚Ja!‘ rief ich und drückte
    ihre Hand, die noch immer die meine faßte, an die bebenden
    Lippen und küßte sie einmal über das andere mit einer In-
    brunst, die ihr gar keinen Zweifel lassen mußte, wie jenes Ja!
    recht aus dem tiefen Herzen gekommen.
    ‚Nun dann,‘ rief die Gräfin wie aufjauchzend vor Freude,
    ‚so reißen Sie mich aus meinem Verhältnis, das mir täglich,
    stündlich den qualvollsten Tod gibt. — Sie sind Fremde — Sie
    gehen nach Italien — ich folge Ihnen — entführen Sie mich
    dem Verhaßten — retten Sie mich zum zweitenmal! —‘
    Wie ein jäher Blitz traf mich jetzt der Gedanke, wie unbe-
    sonnen ich dem Eindruck des Augenblicks der aufgeregten
    Sinnlichkeit nachgegeben. Ich fuhr zusammen, die Gräfin
    schien das gar nicht zu bemerken, sondern fuhr ruhiger fort:
    ‚Nicht verschweigen will ich Ihnen, daß mein ganzes Wesen ei-
    nem andern gehört, und ich daher auf eine ganz uneigennützige
    Tugend rechne, wie sie wohl kaum zu finden. Doch — ebenso-
    wenig will ich leugnen, daß es unter gewissen Umständen mög-
    lich sein würde, Ihnen den höchsten Lohn der Liebe zu gön-
    nen — und ich würde reich lohnen! — Ist nämlich jener, den
    ich im Herzen trage seit meiner Kindheit, nicht mehr unter den
    Lebendigen, so — Sie bemerken, daß ich, da ich dies auszuspre-
    chen vermag, mich selbst bis in das Innerste hinein geprüft habe,
    und daß meine Entschlüsse nicht von der jähen Aufregung ei-
    nes entsetzlichen Augenblicks erzeugt wurden. Übrigens weiß
    ich, daß Sie und Ihr Freund die Verhältnisse hier im Schloß mit
    der Exposition eines gewissen furchtbaren Trauerspiels vergli-
    chen haben. Es liegt darin etwas Seltsames, Verhängnisvolles.‘
    Was um aller Welt willen der Gräfin sagen? — Welche Ant-
    wort lag im ganzen Reiche des Möglichen? — Die Gräfin riß
    mich aus der Verlegenheit, indem sie sehr ruhig sprach: ‚Jetzt
    nichts weiter — verlassen Sie mich — wir sprechen weiter

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