Die Räuber
zur
gelegenen Zeit.‘ —
Schweigend küßte ich der Gräfin die Hand und entfernte
mich nach der Türe. Da eilte die Gräfin mir nach, warf sich
wie in heller Liebesverzweiflung mir in die Arme, glühende
Küsse brannten auf meinen Lippen, sie rief mit einem Ton,
der meine Brust zerfleischte: ‚Rette mich!‘ — Halb betäubt,
bestürmt von den widersprechendsten Gefühlen, wurde es
mir unmöglich, zu euch zurückzukehren. Ich lief hinab in
den Park. Es war mir, als habe ich das höchste Liebesglück
gewonnen, als müßt’ ich, rücksichtslos mich hinopfernd,
tun, was die Gräfin geboten, bis ich, ruhiger geworden, den
Wahnsinn eines solchen verderblichen Unternehmens ein-
sah. — Du hast bemerkt, daß Graf Franz mich, ehe wir in un-
ser Zimmer hinaufgingen, beiseite nahm und heimlich mit
mir redete. — Nun, nichts anders gab er mir zu verstehen, als
daß er unterrichtet sei von der Neigung, die die Gräfin zu mir
gefaßt. ‚Ihr,‘ so sprach der Graf, ‚Ihr ganzes Wesen, Ihre ganze
Art zu sein erfüllt mich mit dem unbedingtesten Zutrauen,
darum darf ich Ihnen sagen, daß ich mehr ahne, als Sie wohl
denken mögen. — Sie sprachen die Gräfin. — Hüten Sie sich
vor Armidens sinnbetörender Verlockung — seltsam muß Ih-
nen das aus meinem Munde klingen — doch, das ist eben der
böse Fluch, der mich verfolgt, daß ich mir meines Wahnsinns
bewußt bin und mich nicht herauszureißen vermag aus dem
heillosen Zustande, der mich verdirbt, und den ich dennoch
zu lieben gezwungen.‘ —
Du siehst, Freund Hartmann, daß ich mich jetzt hier in
solch toller verwirrter Lage befinde, die die schnelle Abreise
unbedingt notwendig macht.“
Hartmann war nicht wenig erstaunt über alles das, was sich
mit seinem Freunde Willibald begeben, und beide, nachdem
sie noch manches über die Lage der Dinge auf dem Schlosse
hin und her gesprochen, waren einstimmig der Meinung, daß
sich hier wohl alles aus gewissen bedrohlichen Abgründen der
menschlichen Natur entwickelt haben müsse.
Mit den ersten Strahlen der Sonne erwachten die Freunde
aus dem Schlaf. Blütendüfte hauchten durch das geöffnete
Fenster, und draußen in Wald und Flur war alles Leben und
Lust. Die Freunde beschlossen, noch vor dem Frühstück ei-
nen Gang durch den Park zu machen. Als sie nun in den ent-
fernteren Teil kamen, der an den Forst grenzte, vernahmen
sie ein eifriges Gespräch und erblickten bald darauf den alten
Daniel und einen großen, stattlich gekleideten Mann, die
gar wichtige Dinge abzuhandeln schienen. Endlich gab der
Fremde dem Alten ein kleines Papier und ging, von Daniel
begleitet, waldeinwärts, wo in geringer Entfernung ein Jäger
mit zwei Reitpferden stand. Beide, der Jäger und der Fremde,
schwangen sich auf und jagten in vollem Galopp davon. Als
Daniel zurückkehrte, stieß er gerade auf die Freunde. Er fuhr
erschrocken zusammen, dann sprach er aber lächelnd: „Ei, ei,
schon so früh auf, meine Herrn? — Nun, da war eben der
fremde Herr Graf hier, der unser Nachbar werden will. Er hat
sich hier ein wenig umgesehen, ich habe ihn überall herum-
führen müssen. Sowie er nun sein Schloß bezogen, will er ein-
sprechen bei unserem gnädigen Herrn Grafen und um gute
freundliche Gastfreundschaft bitten.“ —
Auch dieser Fremde, das Erschrecken Daniels wollte den
mißtrauisch gewordenen Freunden gar bedenklich vorkom-
men.
Mit vieler Mühe errangen die Freunde vom alten Grafen
das Versprechen, daß sie andern Morgens fortgeschafft wer-
den sollten, dafür wollte er aber diesen Tag nicht aus ihrer
Gesellschaft kommen. Das war, was Willibald, der Amalien
fürchtete wie ein scheues Kind, nur wünschen konnte. Der
Morgen verging heiter und froh; als man sich bereitete zur
Tafel zu gehen, fehlte Gräfin Amalia. „Der Kopfschmerz wird
sich wieder eingestellt haben“, sprach der alte Graf verdrieß-
lich. Da ging die Türe auf, Gräfin Amalia trat herein, und
den Freunden stockte der Atem. Auf das köstlichste war sie
in dunkelroten Samt gekleidet, ein funkelnder Gürtel um-
schloß fest den schlanken Leib, und ebensolch ein präch-
tiger Schmuck erhöhte den Reiz des blendenden Nackens,
während reiche Spitzen den schwellenden Busen nur halb
verbargen. Die dunklen Locken waren mit Perlenschnüren
und Myrten durchflochten, Handschuhe und Fächer vollen-
deten den festlichen Putz. Sie strahlte in solchem Glanz der
Schönheit, daß ein tiefes Schweigen von der
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