Die Räuberbraut
seiner Lenden, und dann einfach weg damit, weggewischt wie von einer Tafel, und hinterher kann er sich kaum noch an ihre Namen erinnern. Roz ist diejenige, die sich erinnert. An ihre Namen, und an alles andere an ihnen.
Die Anfänge von Mitchs Geschichten sind nie offensichtlich. Er sagt niemals himmelschreiende Sachen wie: »Ich muß heute länger arbeiten«; wenn er das sagt, arbeitet er wirklich länger. Statt dessen unterziehen sich seine Gewohnheiten einer subtilen Veränderung. Die Zahl der Konferenzen, die er besucht, wie oft er duscht, wieviel er dabei pfeift, wieviel er von welchem After Shave benutzt, und die Stellen, die er damit einstäubt – die Leistengegend ist ein todsicherer Hinweis –, all diese Dinge werden minutiös von Roz vermerkt, die ihn aus nachsichtigen Augen liebevoll ansieht, obwohl sich ihr innerlich die Haare sträuben. Er hält sich gerader, er zieht den Bauch mehr ein; sie ertappt ihn dabei, wie er sich selbst, sein Profil, in Korridorspiegeln, in Schaufenstern, betrachtet, mit schmalen Augen, wie eine Raubkatze vor dem Sprung.
Er ist rücksichtsvoller, er ist aufmerksamer, er ist wachsamer, er beobachtet sie, um zu sehen, ob sie ihn beobachtet. Er küßt sie zärtlich auf den Hals, die Fingerspitzen – kleine Küsse der Huldigung, kleine Küsse der Entschuldigung, aber nichts, was als Vorspiel verstanden werden könnte, denn im Bett wird er reglos, er dreht ihr den Rücken zu, er schützt kleine Unpäßlichkeiten vor, er krümmt sich zusammen wie ein Klappmesser, er verschließt sich ihren streichelnden Fingern wie eine Auster. Sein Schwanz ist ein Serienmonogamist; ein todsicherer Hinweis auf einen waschechten Romantiker, wenn man Roz’ Büchern glauben will. Er kennt keine zynische Polygamie, dieser Schwanz! Nur noch diese eine wünscht er sich. Nur noch diese eine andere Frau, denn ein Mann sollte immer nach mehr greifen, als er festhalten kann, und Mitch hat Angst vor dem Tod, und wenn er jemals innehielte und sich selbst als einen Mann sähe, der mit Roz verheiratet ist, nur mit Roz verheiratet, für immer mit Roz verheiratet, dann würden ihm in eben diesem Augenblick die Haare ausfallen, sein Gesicht würde runzelig werden wie das einer tausendjährigen Mumie, sein Herz würde stehenbleiben. Das zumindest ist die Erklärung, die Roz sich dafür zurechtgelegt hat.
Sie fragt ihn, ob er sich mit jemandem trifft.
Er sagt nein. Er sagt, er ist einfach nur müde. Er hat im Augenblick eine Menge Ärger, sagt er, eine Menge Streß, und um es ihr zu beweisen, steht er mitten in der Nacht auf und geht in sein Arbeitszimmer, wo er die Tür zumacht und bis in die frühen Morgenstunden arbeitet. Manchmal ist das Murmeln seiner Stimme zu hören: das Diktaphon, behauptet er, wenn er beim Frühstück unverlangte Erklärungen abgibt.
Und so geht es weiter, bis Mitch genug hat von wen immer er tatsächlich getroffen hat. Dann fängt er an, absichtlich unvorsichtig zu werden, dann fängt er an, verräterische Spuren zu hinterlassen. Das Streichholzbriefchen aus dem Restaurant, in dem er mit Roz nie gewesen ist, die Ferngespräche mit einer unbekannten Nummer auf ihrer privaten Telefonrechnung. Roz weiß, daß dies der Augenblick ist, an dem sie ihn zur Rede stellen soll. Sie soll ihn sich vorknöpfen, sie soll toben und schreien, weinen und jammern und ihm Vorwürfe machen und ihn fragen, ob er sie noch liebt und ob die Kinder ihm denn gar nichts mehr bedeuten. Sie soll sich so verhalten, wie sie es beim ersten Mal getan hat (beim zweiten Mal, beim fünften Mal), damit er sich aus der Schlinge herauswinden kann, damit er der anderen Frau, die um die Augen herum immer abgehärmter wirkt, aus der die Liebe Stücke herausgerissen hat, sagen kann, daß er sie immer anbeten wird, daß er es jedoch nicht ertragen kann, die Kinder zu verlieren; und dann kann er Roz sagen – großmütig und mit heldenhafter Selbstaufopferung –, daß sie die wichtigste Frau in seinem Leben ist, ganz gleich, wie ungezogen oder närrisch er sich von Zeit zu Zeit aufführen mag, und daß er die andere Frau ihretwegen aufgegeben hat, wie also kann sie sich weigern, ihm zu verzeihen? Die anderen Frauen sind nur triviale Abenteuer, wird er durchblicken lassen: Roz ist diejenige, zu der er nach Hause kommt. Dann wird er sich in sie fallen lassen wie in ein warmes Bad, wie in ein weiches Federbett, und erschöpft wieder im ehelichen Dämmer versinken. Bis zum nächsten Mal.
In letzter Zeit jedoch hat Roz sich
Weitere Kostenlose Bücher