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Die Räuberbraut

Die Räuberbraut

Titel: Die Räuberbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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unfehlbar schlechten Geschmack ihrer Mutter, sie hatten einen Haufen Geld gekostet, sahen aber aus, als stammten sie geradewegs aus dem Versandkatalog eines Beerdigungsinstituts. Hinzu kam, daß jede freie Fläche mit Häkeldeckchen verziert war, was nicht gerade half, ihre Mutter war eine Häkeldeckchenfetischistin, weil sie sie in ihrer Jugend hatte entbehren müssen, und was wäre, wenn Mitch auf die Idee käme, Roz in die Küche zu folgen und Roz’ Mutter dort sitzen sähe und von ihr von Kopf bis Fuß gemustert würde, mit Blicken, deren Ziel es war, religiöse Zugehörigkeit und finanzielle Aussichten zu ergründen, in dieser Reihenfolge? Also warf Roz die Blumen ins Spülbecken, sie würde sich später darum kümmern, küßte ihre Mutter auf die Regenerationscreme, zu wenig, zu spät, und bugsierte Mitch aus dem Haus, bevor Roz’ Vater ihn abfangen und einem Verhör dritten Grades unterziehen konnte, was er mit allen Verabredungen von Roz machte, wenn er sie in die Finger bekam – wo wollten sie hin, was hatten sie dort vor, wann würden sie zurück sein, das war viel zu spät – und kryptische, ethnische Parabeln von sich gäbe, die das Leben an sich illustrieren sollten. »Zwei Krüppel ergeben noch lange keinen Tänzer«, sagte er zum Beispiel und schoß ihnen unter buschigen Augenbrauen bedeutungsvolle Blicke zu, und was sollten die armen Trottel davon halten? »Papa, ich wollte, du würdest nicht immer solche Sachen sagen«, sagte sie später zu ihm. Das war auch so eine Sache, sie mußte ihn Papa nennen, er reagierte nicht auf Dad. »Wieso nicht?« sagte er dann und grinste sie an. »Stimmt doch, oder?«
    Als sie draußen waren, stellte sich heraus, daß Mitch kein Auto hatte, und was verlangte die Etikette jetzt? Sollte sie ihr eigenes anbieten, oder was? Sie konnte sich nicht vorstellen, daß der Mann ihrer Träume den Bus nehmen sollte, noch viel weniger konnte sie sich vorstellen, daß sie selbst einen nahm. Was hatte vertikale Mobilität für einen Sinn, wenn man trotzdem den Bus nehmen mußte? Es gab einfach Grenzen! Sie wollte gerade ein Taxi vorschlagen, als ihr mit blitzartiger Klarheit einfiel, daß Mitch vielleicht kein Geld dafür hatte.
    Zum Schluß nahmen sie dann doch Roz’ Auto, einen kleinen roten Austin, ein Geburtstagsgeschenk. Roz hätte einen Jaguar vorgezogen, aber ihr Vater hatte gesagt, man könne es auch übertreiben. Mitch protestierte nicht besonders lange, als Roz ihm unter vielen Worten die Autoschlüssel aufdrängte, damit er fahren konnte, weil ein Mann, der von einer Frau chauffiert wurde, sich möglicherweise herabgesetzt fühlen würde, sie hatte die einschlägigen Artikel in den Frauenzeitschriften gelesen, über all die verschiedenen Weisen, wie man einen Mann unwissentlich herabsetzen konnte, es war schrecklich, wie schnell sie schrumpften, und obwohl sie im allgemeinen am liebsten selbst fuhr, wollte sie Mitch nicht vergraulen. Außerdem konnte sie sich auf diese Weise zurücklehnen und sein Profil bewundern. Er fuhr gut – entschlossen, aggressiv, aber nicht ohne Höflichkeit, und das gefiel ihr. Sie selbst war eine schnelle Fahrerin, eine Dazwischendränglerin, eine Huperin. Aber als sie Mitch beim Fahren beobachtete, erkannte sie, daß es auch elegantere Möglichkeiten gab, hinzukommen, wo man hinwollte.
    Er führte sie in ein kleines, quasi-französisches Restaurant mit viel rotem Plüsch, wie in einem Bordell aus der Zeit der Jahrhundertwende, und keinem besonders guten Essen. Roz nahm die Zwiebelsuppe, was ein Fehler war, wegen der langen Käsefäden, die von jedem Löffel herabbaumelten. Sie tat, was sie konnte, hatte aber trotzdem das Gefühl, den Anmutigkeitstest nicht zu bestehen. Mitch schien nichts zu bemerken; er sprach über seine Anwaltsfirma.
    Ich gefall ihm nicht , dachte sie. Das hier ist ein Fiasko. Also bestellte sie noch ein Glas Weißwein, und dann dachte sie: Hol’s der Teufel , und erzählte ihm einen Witz, den von dem Mädchen, das einem anderen Mädchen erzählte, es sei diesen Sommer vergewaltigt worden, und von da an gab es den ganzen Sommer nichts als Vergewaltigung, Vergewaltigung, Vergewaltigung, und Mitch lächelte langsam, seine Augen wurden ein bißchen schmal, wie bei einer Katze, die hinter den Ohren gekrault wird, vielleicht hatte er trotz seiner Zinnsoldatenhaltung ja doch das eine oder andere Hormon, vielleicht war die Oberschichtfassade nichts weiter als das, eine Fassade, und falls ja, würde sie ewig dankbar sein, und

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