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Die Räuberbraut

Die Räuberbraut

Titel: Die Räuberbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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gezeigt, auf dem die Männer in Waschwannen aus Blech standen, um ihre Beine zu schützen. Billige Komik für die englische Mittelklasse zu Hause, die die Profite einheimste. Blöde irische Sumpftrottel! Die Iren waren damals immer gut für ein Grinsen.
    Sie waren natürlich alle auf dem Zwischendeck gekommen. Wohingegen Mitchs Vorfahren, obwohl auch sie nicht von Gott aus dem geheiligten Lehm Torontos geschaffen worden waren – sie mußten irgendwie hierher gekommen sein – garantiert erster Klasse gefahren waren. Was bedeutet, daß sie auf der Überfahrt in ein Porzellanbecken kotzten, statt auf die Füße anderer Leute.
    Großer Unterschied, bei Gott, aber Roz ist trotzdem beeindruckt. Sie öffnet die von Meerjungfrauen wimmelnde Speisekarte und überfliegt sie und bittet Mitch, ihr einen Tip zu geben, als wäre sie unfähig, selbst zu entscheiden, was sie in ihren Mund stecken will. Roz , beschimpft sie sich selbst. Du bist ein ausgemachter Schleimer.
     
    Sie erinnert sich daran, wie sie das erste Mal mit Mitch ausgegangen ist. Sie war alt, sie war fast zweiundzwanzig, sie stand sozusagen schon auf der Kippe. Eine Menge der Mädchen, die sie an der High- School und dann an der Uni gekannt hatte, waren schon verheiratet, wieso nicht sie? Es war eine Frage, die ihr aus den zunehmend ratlosen Augen ihrer Mutter entgegenleuchtete.
    Roz hatte schon eine Liebesaffäre hinter sich, oder vielmehr eine Sexaffäre, und dann noch eine. Sie hatte deswegen nicht einmal ein besonders schlechtes Gewissen gehabt. Obwohl die Nonnen einem die Sache mit dem Sex, und was für eine Sünde er war, wirklich eingetrichtert hatten. Aber Roz war nicht mehr katholisch. Sie war jedoch katholisch gewesen, und einmal katholisch, immer katholisch, wie ihre Mutter immer sagte; und so hatte sie schon ein paar Bedenken gehabt, nachdem das erste, aufregende Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, abgeflaut war. Seltsamerweise konzentrierten sich diese Bedenken weniger auf den Sex selbst als vielmehr auf die Kondome – Dinge, die man unter dem Ladentisch kaufte, nicht, daß sie das je getan hätte, das war Sache des Mannes. Kondome waren für sie der Inbegriff des Verbotenen. Aber sie waren auch komisch. Sie waren wie Gummihandschuhe mit nur einem Finger, und jedes Mal, wenn sie eins sah, mußte sie sich selbst zur Ordnung rufen, weil sie sonst angefangen hätte zu kichern, eine entsetzliche Vorstellung, weil der Mann denken könnte, daß sie über ihn lachte, seinen Schwanz, seine Größe, und das wäre tödlich gewesen.
    Der Sex selbst war prima, er machte ihr Spaß, sobald sie einigermaßen dahintergekommen war. Sie stellte fest, daß Sex etwas war, wobei sie gut war, obwohl keiner der beiden Männer ihrer Vorstellung von Glückseligkeit entsprach. Der eine hatte große, abstehende Ohren, der andere war fünf Zentimeter kleiner als sie, und sie konnte sich nicht vorstellen, ihr ganzes Leben in flachen Schuhen zu verbringen. Sie wollte Kinder, aber keine zwergwüchsigen mit Elefantenohren.
    Also hatte sie keinen der beiden ernst genommen. Daß auch sie sie nicht ernst genommen hatten, half dabei. Vielleicht lag es an dem Clownsgesicht, das sie damals fast ständig aufsetzte. Sie brauchte es, dieses fröhliche, unbekümmerte Partygesicht, denn da war sie, stand immer noch auf dem Regal, wohnte immer noch zu Hause bei ihren Eltern, arbeitete immer noch im Geschäft ihres Vaters. Eines Tages wirst du der Mann an meiner rechten Seite sein, sagte er immer zu ihr. Es war als Kompliment gemeint, damit sie sich nicht so mies fühlte, weil sie kein Sohn war. Aber Roz wollte kein Sohn sein. Sie wollte überhaupt kein Mann sein, weder an der rechten noch an sonst einer Seite. Es war so anstrengend, einer zu sein, nach allem, was sie so mitbekam; ständig mußte man einen derartigen Anschein von Würde wahren. Wenn sie ein Mann wäre, würde sie nie mit ihrem naiv-frivolen Getue durchkommen. Aber wenn sie einer wäre, würde sie dieses Getue andererseits vielleicht gar nicht brauchen.
    Die Arbeit im Geschäft ihres Vaters war relativ anspruchslos; jeder Schwachkopf hätte sie machen können. Im Prinzip war sie nur ein glorifiziertes Mädchen für alles. Aber ihr Vater war nun einmal der Überzeugung, daß jeder, selbst die Tochter des Chefs, ganz unten anfangen und sich dann allmählich nach oben arbeiten sollte. Auf diese Weise wurde man vertraut mit dem wirklichen Ablauf der Dinge, Schicht um Schicht. Wenn es im Sekretariat haperte, wenn es in der

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