Die Räuberbraut
dann fühlte sie seine Hand auf ihrem Knie, unter dem Tisch, und das war das Ende ihrer Selbstbeherrschung, sie dachte, sie würde wie ein warmes Eis am Stiel über den ganzen Restaurantsitz aus rotem Plüsch zerschmelzen.
Nach dem Essen machten sie sich tatsächlich auf den Weg ins Kino, was aber irgendwie damit endete, daß sie in Roz’ Auto herumknutschten; und dann waren sie in Mitchs Wohnung, einer Dreizimmerwohnung, die er sich mit zwei anderen angehenden Anwälten teilte, die, wie es sich so schön traf, zufällig nicht da waren. Hat er das geplant? dachte Roz flüchtig, denn wer verführte hier eigentlich wen, und Roz war wild entschlossen, sich mit ihrem Hüftmieder abzuplagen, nachdem sie Mitch dabei geholfen hatte, sie aus der oberen Hälfte ihrer Kleider herauszuschälen – eine Lady sollte sich nie ohne Hüftmieder sehen lassen, sagten sowohl ihre Mutter als auch die Zeitschriften, um unansehnliches Schwabbeln zu verhindern, und schließlich wollte sie doch nicht, daß die Männer sie für ein liederliches Frauenzimmer mit einem schlaffen Po hielten, aber die verdammten Dinger waren gebaut wie Rattenfallen, reinstes gußeisernes Elastik, es war, als wollte man versuchen, sich aus einem gigantischen, dreifachen Gummiband herauszuwinden –, als Mitch ihr die Hände auf die Schultern legte und ihr tief in die Augen blickte und sagte, er respektiere sie zu sehr. »Ich will nicht einfach nur mit dir schlafen«, sagte er. »Ich will dich heiraten.« Roz hätte am liebsten protestiert, daß diese beiden Kategorien einander nicht notwendigerweise ausschlossen, aber das wäre unschicklich gewesen, wenigstens in Mitchs Augen, und außerdem war sie zu überwältigt von Glück, oder war es Angst, denn war das hier etwa ein Antrag?
»Was?« sagte sie.
Er wiederholte den Teil mit dem Heiraten.
»Aber ich kenn dich doch kaum«, stotterte Roz.
»Du wirst mich kennenlernen«, sagte Mitch mit ruhiger Stimme. Er behielt recht.
Und so ging es weiter: mittelmäßige Dinner, heißes Petting, endlos hinausgezögerte Befriedigung. Wenn Roz die Sache hinter sich hätte bringen können, wenn sie Mitch auf diese Weise aus ihrem System hätte bringen können, hätte sie ihn vielleicht nicht geheiratet. Falsch: sie hätte, weil sie nach diesem ersten Abend völlig aus dem Konzept und an ein Nein nicht mehr zu denken war. Aber die Tatsache, daß er sie jedesmal, wenn sie sich trafen, in einen Wackelpudding mit Gummiknien verwandelte, nur um dann, wenn sie versuchte, seinen Reißverschluß aufzumachen, ihre Hände festzuhalten, sorgte für ein gewisses Maß an Spannung. Für Spannung hätte man auch Frustration sagen können. Oder kriecherische Demütigung. Sie kam sich vor wie ein großes, schamloses Flittchen, sie kam sich vor wie ein Hündchen, das eine mit der Zeitung übergezogen bekommt, weil es versucht hat, an einem Hosenbein hochzuklettern.
Als die Zeit kam – nicht in einer Kirche, nicht in einer Synagoge – in Anbetracht der beteiligten Mischungen in einem der Festsäle des Park Plaza Hotel –, war Roz überzeugt, daß sie es nie im Leben durch den Mittelgang schaffen würde. Sie fürchtete, daß es zu einem unziemlichen Zwischenfall kommen würde. Aber Mitch hätte ihr nie verziehen, wenn sie ihn in aller Öffentlichkeit angesprungen oder ihn auch nur richtig abgeküßt hätte, als es hieß, du darfst die Braut küssen. Er hatte ihr inzwischen unmißverständlich klargemacht, daß es Springer und Besprungene gab, Küsser und Geküßte, und daß er ersteres und sie letzteres sein würde.
Stereotypisierung der Geschlechterrollen, denkt Roz heute, nachdem sie in der Zwischenzeit das eine oder andere dazugelernt hat. Der gerissene Schweinehund. Er hat mich zappeln lassen, er hat mich mürbe gemacht. Er hat genau gewußt, was er tat. Wahrscheinlich hatte er in irgendeinem Schreibbüro eine kleine Nebenaffäre sitzen, damit sein Ding ihm in dieser Zeit nicht abfaulte. Aber er hat die Sache durchgezogen, er hat mich geheiratet. Sie weiß inzwischen, daß ihr Geld eine Rolle gespielt haben muß.
Ihr Vater hatte schon damals Bedenken. »Wieviel verdient er denn so?« wollte er von Roz wissen.
»Papa, das spielt doch überhaupt keine Rolle!« rief Roz in antimaterialistischem Überschwang. Und überhaupt, war Mitch etwa nicht der Liebling der Götter? Der es garantiert zu etwas bringen würde? Würde er in seiner Anwaltsfirma etwa nicht aufsteigen wie eine Seifenblase 7
»Ich will schließlich nur wissen, ob ich
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