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Die Räuberbraut

Die Räuberbraut

Titel: Die Räuberbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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anhand der sporadischen Flottheit ihres Vaters, und durch seine Abwesenheiten; gelegentlich begegnete sie diesen Frauen sogar, zufällig, am Arm ihres alternden, aber immer noch unverschämten Vaters. Aber diese Frauen kamen und gingen, während ihre Mutter eine Konstante war.
    Was hatten die beiden für ein Abkommen, ihre Mutter und ihr Vater 7 Liebten sie sich? Sie hatten natürlich eine Geschichte: sie hatten eine gemeinsame Geschichte. Sie hatten sich kurz nach Kriegsbeginn kennengelernt. Hatte er sie im Sturm erobert? Nicht ganz. Sie hatte das Logierhaus schon damals gehabt, sie hatte es von ihrer Mutter geerbt, die es geführt hatte, seit der Vater im Alter von fünfundzwanzig Jahren an Polio gestorben war, als Roz’ Mutter erst zwei Jahre alt war.
    Roz’ Mutter war älter als ihr Vater. Sie mußte schon altjüngferlich gewesen sein, als sie ihn kennenlernte; schon schweigsam, schon herb, schon spröde.
    Sie war auf dem Weg nach Hause, eine Einkaufstasche in der Hand; sie kam an einer Kneipe vorbei. Es war später Nachmittag, Polizeistunde, die Stunde, zu der die Trinker auf die Straße gesetzt wurden, damit sie rechtzeitig zum Abendessen nach Hause kamen, so wenigstens lautete die Theorie. Normalerweise hätte Roz’ Mutter die Straße überquert, um nicht an dieser Kneipe vorbeizumüssen, aber sie sah, daß da ein Kampf im Gange war. Vier gegen einen:
    Schläger, sagte sie. Der eine war Roz’ Vater. Er brüllte wie ein Löwe, aber einer der Schläger trat hinter ihn und schlug ihm eine Flasche über den Kopf, und als er zusammenbrach, fingen alle an, auf ihn einzutreten.
    Es waren Leute auf der Straße, aber sie standen einfach nur da und sahen zu. Roz’ Mutter dachte, die anderen würden den am Boden liegenden Mann umbringen. Ihrem Wesen nach war sie eine stille Frau, aber sie war nicht besonders schüchtern, nicht damals; sie war es gewöhnt, Männern die Meinung zu sagen, weil sie sich auf die Mieter eingestellt hatte, von denen einige versucht hatten, sie auszunutzen. Normalerweise kümmerte sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten und überließ es den anderen, sich um ihre zu kümmern; normalerweise ging sie Schlägereien aus dem Weg und sah woanders hin. Aber an diesem Tag war es anders. Sie konnte nicht dastehen und zusehen, wie ein Mann umgebracht wurde. Sie schrie (für Roz war das der beste Teil – daß ihre lakonische Mutter sich die Seele aus dem Leib schrie, und dazu noch in aller Öffentlichkeit), und schließlich fuhr sie dazwischen und schwang ihre Einkaufstasche, daß die Apfel nur so flogen, bis endlich ein Polizist in Sicht kam und die Schläger die Flucht ergriffen.
    Roz’ Mutter sammelte ihr Gemüse ein. Sie war ziemlich mitgenommen, wollte aber nicht auf ihre Einkäufe verzichten. Dann half sie Roz’ Vater vom Bürgersteig auf. »Er war über und über voller Blut«, sagte sie. »Er sah aus, als hätte die Katze ihn angeschleppt.« Ihr Haus war ganz in der Nähe, und da sie eine fromme Katholikin und mit der Geschichte vom barmherzigen Samariter vertraut war, hatte sie das Gefühl, ihn mitnehmen und wenigstens ein bißchen saubermachen zu müssen.
    Roz konnte sich gut vorstellen, was dann passierte. Es ist schwer, Dankbarkeit zu widerstehen. (Obwohl Dankbarkeit ein kompliziertes Gefühl ist, wie sie zu lernen Anlaß hatte.) Trotzdem, welche Frau kann einem Mann widerstehen, den sie gerade gerettet hat? Verbände haben etwas Erotisches, und natürlich mußten Kleidungsstücke entfernt werden: Jacke, Hemd, Unterhemd. Und dann? Bestimmt rettete ihre Mutter sich in ihren Reinlichkeitstick. Und wo würde der arme Mann die Nacht verbringen? Er war unterwegs, um in die Armee einzutreten, sagte er (obwohl er nicht wirklich in die Armee eintrat, nicht offiziell); er war weit von zu Hause – wo war dieses Zuhause? Saskatchewan – und sein Geld war weg. Die Schläger hatten es mitgehen lassen.
    Für Roz’ Mutter, die ihre Zwanzigerjahre damit verbracht hatte, ihre kränkelnde Mutter zu pflegen, die noch nie einen Mann ohne Hemd gesehen hatte, muß dies das romantischste Erlebnis gewesen sein, das sie je hatte. Das einzige romantische Erlebnis. Während es für ihren Vater nur eine Episode war. Oder doch nicht? Vielleicht verliebte er sich in sie, diese schreiende, schweigsame Frau, die ihm zu Hilfe geeilt war. Vielleicht verliebte er sich in ihr Haus, ein bißchen. Vielleicht bedeutete sie Schutz und Unterschlupf für ihn. In der Version ihres Vaters war es immer das Schreien, das

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