Die Räuberbraut
hervorgehoben wurde, mit beträchtlicher Bewunderung. Während ihre Mutter das Blut betonte.
Was immer es war, es endete damit, daß die beiden heirateten, obwohl es keine katholische Hochzeit war; was bedeutete, daß sie in den Augen der Kirche überhaupt nicht verheiratet waren. Roz’ Vater zuliebe hatte Roz’ Mutter sich in einen unumkehrbaren Zustand der Sünde begeben. Kein Wunder, daß sie der Meinung war, er sei ihr etwas schuldig.
Ach, denkt Roz, die in ihrem orangenen Morgenmantel in ihrem Keller sitzt. Gott, du bist schon ein gerissener alter Fuchs, du hältst einen ganz schön zum Narren. Veränderst die Regeln. Gibst widersprüchliche Instruktionen – rette deinen Nächsten, hilf deinem Nächsten, liebe deinen Nächsten: aber laß ja die Finger von ihm. Gott ist ein guter Zuhörer. Er unterbricht sie nicht.
Kurz nach dem Rauswurf von Mrs. Morley verschwindet auch Mr. Carruthers. Er hinterläßt ein heilloses Durcheinander in seinem Zimmer, nimmt nur einen Koffer mit und bleibt eine Monatsmiete schuldig. Onkel George zieht in sein Zimmer und Onkel Joe in Mrs. Morleys altes Zimmer, und dann kündigt Miss Hines, weil das Haus nicht mehr respektabel ist. »Und wo soll jetzt das Geld herkommen?« fragt Roz’ Mutter.
»Nur keine Sorge, Aggie«, sagt ihr Vater. Und irgendwie kommt tatsächlich Geld ins Haus, nicht sehr viel, aber genug, und aus dem Nichts, wie es scheint, denn ihr Vater hat keinen Job, und Onkel George und Onkel Joe haben auch keinen. Sie gehen statt dessen zur Rennbahn. Ab und zu nehmen sie Roz mit, samstags, wenn sie keine Schule hat, und setzen für sie einen Dollar auf ein Pferd. Roz’ Mutter geht nie mit, genausowenig wie – zu diesem Schluß kommt Roz, als sie sich die Kleider der Frauen ansieht – irgendwelche anderen Mütter. Die Frauen, die hierher kommen, sind Puppen.
An den Abenden sitzen die Onkel am Kartentisch in Onkel Georges neuem Zimmer und trinken und rauchen und spielen Poker. Wenn Roz’ Mutter nicht da ist, setzt ihr Vater sich manchmal zu ihnen. Roz lungert bei ihnen herum, sieht ihnen über die Schulter, und schließlich bringen sie ihr die Regeln bei. »Laß dir niemals anmerken, was du denkst«, schärfen sie ihr ein. »Laß dir nie in die Karten sehen. Vor allem aber mußt du wissen, wann du aussteigen mußt.«
Als sie die Spielregeln kennt, zeigen sie ihr, wie man richtig spielt. Zuerst nur mit Chips; aber eines Tages gibt Onkel George ihr fünf Dollar. »Das ist dein ganzer Einsatz«, sagt er. »Du darfst nie mehr setzen, als du hast.« Es ist kein Rat, den er selbst befolgt.
Roz wird gut. Sie lernt zu warten: sie zählt die Drinks, die sie hatten, sie beobachtet, wie die Flasche immer leerer wird. Dann legt sie los.
»Die kleine Dame ist ein richtiger Killer«, sagt Onkel George bewundernd. Roz strahlt.
Ein Pluspunkt für sie ist, daß sie richtig ernst spielt, während die Onkel und ihr Vater das nicht tun, nicht wirklich. Sie spielen, als warteten sie auf einen Telefonanruf. Sie spielen, als wollten sie sich nur die Zeit vertreiben.
Plötzlich war eine Menge Geld da. »Ich hab’s beim Rennen gewonnen«, sagte Roz’ Vater, aber Roz wußte, daß das nicht stimmen konnte, weil es einfach zuviel war. Es reichte für ein Essen in einem Restaurant, für alle, auch ihre Mutter, mit Eiscreme hinterher. Ihre Mutter trug ihr bestes Kleid, das ein neues bestes Kleid war, hellgrün mit einem weißen, bestickten Kragen, weil das Geld auch dafür gereicht hatte. Es reichte für ein Auto; einen blauen Dodge, und die Jungs aus der Straße standen eine halbe Stunde vor Roz’ Haus und starrten ihn an, während Roz sie ohne ein Wort von der Veranda beobachtete. Ihr Triumph war so vollkommen, daß sie nicht einmal höhnen mußte.
Wo war das Geld hergekommen? Aus der Luft. Es war wie ein Wunder; ihr Vater machte eine Handbewegung, und presto, da war es. »Das Schiff ist gekommen«, sagte Roz’ Vater. Die Onkel bekamen auch welches. Es war für sie alle drei, sagte ihr Vater. Zu gleichen Teilen, weil das Schiff ihnen allen gehörte.
Roz wußte, daß es kein richtiges Schiff war. Trotzdem konnte sie es sich vorstellen, ein altmodisches Schiff, eine Galeone, ein Schatzschiff, mit Segeln, die im Sonnenlicht golden schimmerten, mit Standarten, die von seinen Masten flatterten. Etwas in der Art. Etwas Stattliches.
Ihre Eltern verkauften das Logierhaus und zogen in den Norden der Stadt, fort aus den Straßen mit den schmalen, dicht an dicht stehenden
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