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Die Räuberbraut

Die Räuberbraut

Titel: Die Räuberbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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viel Geld.«
    »Das kannst du laut sagen«, sagt Roz, die genau weiß, wieviel Geld, weil das Geld, das sie verlieren, ihr Geld ist.
    »Ich glaub, ich könnte die Anzeigen in, sagen wir, zwei Monaten verdoppeln«, sagt Zenia. »Ich hab da Erfahrungen.«
     
    Sie hält ihr Versprechen. Roz weiß nicht mehr so genau, wie das alles kam, aber es dauert nicht lange, da nimmt Zenia an den Redaktionssitzungen teil, und als BethAnne aufhört, um ein weiteres Baby zu bekommen und dadurch ein Machtvakuum entsteht, ist es Zenia, die den Job angeboten bekommt, denn wer sonst – seien wir ehrlich – ist so qualifiziert wie sie? Es wäre sogar möglich, daß Roz die ganze Sache für sie arrangiert hat. Es ist sogar wahrscheinlich; es war genau die Art von Selbstverstümmelung, die sie um diese Zeit herum drauf hatte und die so oft nach hinten losging. Teil ihres Rettet-die-arme- Zenia-Projekts. Sie möchte sich lieber nicht an Einzelheiten erinnern.
    Zenia läßt sich fotografieren, ein Hochglanzfoto in einem Kleid mit V-Ausschnitt; es erscheint auf der redaktionellen Seite. Frauen rechnen nach, wie alt sie ist und fragen sich, wie sie es schafft, so gut auszusehen. Die Auflage steigt.
     
    Zenia geht jetzt zu Parties, vielen Parties. Wieso auch nicht? Sie hat Pep, sie hat Pfiff, sie hat – wie die Männer im Vorstand immer wieder gern sagen – Cojones, Eier, Mut. Sie ist mit allen Wassern gewaschen, mit allen Hunden gehetzt, und außerdem hat sie eine tolle Figur, wie sie sich nie verkneifen können hinzuzufügen, woraufhin Roz sich nach Hause schleicht und ihre prallen, orangenhäutigen Beine im Spiegel begutachtet und sich selbst Vorwürfe macht, weil sie dumme Vergleiche anstellt.
    Einige der Parties, zu denen Zenia geht, werden von Roz gegeben. Roz überwacht das Herumreichen der Kanapees und der gefüllten Pilze und begrüßt ihre Gäste mit Umarmungen und luftigen Küssen und beobachtet, wie Zenia den Raum bearbeitet. Sie bearbeitet ihn ernsthaft, gründlich; sie scheint instinktiv zu wissen, wieviel Zeit jeder der Anwesenden wert ist. Einige ihrer kostbaren Augenblicke widmet sie Roz. Sie zieht sie auf die Seite und murmelt leise auf sie ein, und Roz murmelt zurück. Jeder, der sie sieht, würde sie für Verschwörerinnen halten.
    »Du machst das wirklich gut«, sagt Roz zu Zenia. »Ich bleib immer stundenlang bei irgendwelchen unglückseligen Geschichten hängen, aber du läßt dich nie derart in die Ecke drängen.«
    Zenia lächelt zurück. »Alle Füchse graben sich einen Notausgang. Ich weiß immer gern, wo das Ausgangsschild ist.« Und Roz erinnert sich daran, wie knapp Zenia dem Tod entronnen ist, und empfindet Mitleid mit ihr. Zenia kommt immer allein. Sie geht auch allein. Es ist wirklich traurig.
    Auch Mitch bearbeitet den Raum. Überraschenderweise nimmt er sich nie den Teil des Raums vor, in dem Zenia ist. Normalerweise flirtet er mit jeder; er würde mit einem Windhund flirten, wenn nichts anderes da wäre. Er liebt es, seinen Charme in den Augen jeder einzelnen Frau im Zimmer widergespiegelt zu sehen; er zieht von einer zur anderen, als wären sie Büsche und er ein Hund. Aber von Zenia hält er sich fern, und wenn sie hinsieht, ist er ganz besonders aufmerksam zu Roz. Er berührt sie wann immer möglich. Um das Gleichgewicht nicht zu verlieren , denkt Roz später.
     
    Roz hat ein zunehmend komisches Gefühl. Irgend etwas stimmt nicht mit der Wendung, die die Dinge genommen haben, aber was? Sie hatte sich vorgenommen, Zenia zu helfen, und wie es aussieht, hat sie ihr geholfen, und Zenia ist ihr auch ohne jeden Zweifel dankbar, und sie leistet gute Arbeit. Sie treffen sich einmal die Woche zum Lunch, um verschiedene Dinge durchzusprechen, und damit Zenia Roz um Rat fragen kann, weil Roz die Zeitschrift schon so viel länger kennt als Zenia. Roz tut ihre Reaktion als Neid ab. Normalerweise würde sie mit Tony oder Charis reden, wenn es etwas gäbe, was sie beunruhigt und sie sich nicht richtig erklären kann. Aber das kann sie nicht, weil sie jetzt mit Zenia befreundet ist und die beiden das vielleicht nicht verstehen würden. Sie würden vielleicht nicht verstehen, wie Roz mit jemand befreundet sein kann, der – sehen wir den Tatsachen ins Auge – ihr Feind ist. Sie könnten es als Verrat betrachten.
     
    »Ich hab nachgedacht«, sagt Zenia auf der nächsten Vorstandssitzung. »Wir machen immer noch Verluste, trotz der neuen Anzeigen. Wie es aussieht, schaffen wir es einfach nicht, die wirklich großen

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