Die Räuberbraut
ausgesehen.«
»Sie ist es müde, daß die Männer sich ständig an sie ranmachen«, sagt Roz.
»Das glaubst du doch selbst nicht«, sagt Mitch. »Außerdem hab ich mich nicht an sie rangemacht. Aber ich wette, es würde ihr gefallen, wenn ich’s täte. Sie ist eine Abenteurerin, sie sieht so aus.«
»Dichterin, Sängerin, Abenteurerin«, sagt Roz leichthin. Mitch ist so eine Autorität, er kann am Hintern einer Frau erkennen, was sie denkt. »Warum sagst du nicht Abenteurer ?« zieht sie ihn auf, weil sie weiß, daß die feministische Terminologie ihm auf die Nerven geht. Außerdem hält sie sich selbst auch für einen Abenteurer, wenigstens in einigen Bereichen des Leben. Den finanziellen. Gentleman-Abenteurer war einst ein feststehender Begriff.
»Weil es nicht dasselbe ist«, sagt Mitch. »Abenteurer setzen ihren Verstand ein.«
»Und Abenteurerinnen?« sagt Roz.
»Ihre Titten«, sagt Mitch.
»Eins zu Null für dich«, lacht Roz. Sie ist auf ihn reingefallen.
Aber er irrt sich, denkt Roz, als sie sich an diese Szene erinnert. Auch Zenia setzte ihren Verstand ein.
Das war der Anfang vom Ende ihrer Ehe, obwohl sie das damals natürlich nicht wußte. Oder vielleicht war es das Ende vom Ende. Wer wußte das schon? Das Ende mußte sich schon lange vorher angekündigt haben. Derartige Dinge kommen nicht plötzlich.
Mitch jedenfalls hat sie es nicht angemerkt. Er liebte sie in dieser Nacht mit einer Dringlichkeit, die er schon lange nicht mehr gezeigt hatte. Keine genießerische Leichtigkeit, kein behäbiges Walroßgewälze: zupacken und nehmen. Es gab nichts, was sie ihm geben sollte; er wollte nehmen. Roz merkt, daß sie gebissen wird und ist eher erfreut als das Gegenteil. Sie hatte ja keine Ahnung, daß sie immer noch so unwiderstehlich ist.
Eine Woche später arrangiert sie ein Essen, im Scaramouche, für sich und Zenia und die derzeitige Chefredakteurin von WiseWomanWorld, eine Frau namens BethAnne, und sie verspeisen Radicchio-Salat und exotische, nur kurz angedünstete Gemüse und ungewöhnliche Pastas und gehen Zenias Lebenslauf und die Mappe mit ihren Artikeln durch. Zuerst kommen die, die sie geschrieben hat, als sie fest für eine englische Avantgarde-Modezeitschrift arbeitete. Sie hat diesen Job aufgegeben, weil sie sich zu angebunden fühlte und weil sie über politischere Themen schreiben wollte. Libyen, Mosambik, Beirut, die palästinensischen Flüchtlingslager; Berlin, Nordirland, Kolumbien, Bangladesch, El Salvador – Zenia war an den meisten Brennpunkten der Welt, an die Roz sich erinnern kann, und dazu noch an einigen, an die sie sich nicht erinnert. Zenia überschüttet sie mit Geschichten von Steinen und Kugeln, die an ihrem Kopf vorbeipfiffen, von Kameras, die von Polizisten zerschlagen wurden, von mit knapper Not gelungenen Fluchten in Jeeps. Sie nennt Hotels.
Viele der Stories sind unter anderen Namen erschienen, den Namen von Männern, weil, wie Zenia sagt, das Material zu kontrovers ist, teils sogar gefährlich, und sie hatte keine Lust, mitten in der Nacht die Tür aufzumachen und einem wütenden arabischen oder irischen oder israelischen Killer oder einem Drogenboss gegenüberzustehen. »Ich möchte nicht, daß sich das rumspricht«, sagt sie, »aber das ist der eigentliche Grund, weshalb ich nach Kanada zurückgekommen bin. Es ist eine Art Zufluchtsort für mich – versteht ihr? Die Situation drüben wurde mir, na ja, sagen wir, ein kleines bißchen zu interessant. Kanada ist ein so – ein so sanftes Land.«
Roz und BethAnne sehen sich über den Tisch hinweg an. Beide sind hin und weg. Eine politische Reporterin aus den Problemzonen der Welt, mitten unter ihnen! Natürlich müssen sie ihr Schutz gewähren. Wozu sind Zufluchtsorte schließlich da? Es entgeht Roz nicht, daß das Gegenteil von interessant keineswegs sanft ist, sondern langweilig. Aber Langeweile hat dieser Tage ihre Vorzüge. Vielleicht sollten sie ein bißchen von dieser Langeweile exportieren. Immer noch besser, als eine Kugel in den Kopf zu bekommen.
»Wir fänden es toll, wenn du eine Story für uns machen könntest«, sagt BethAnne.
»Ehrlich gesagt«, sagt Zenia, »bin ich im Augenblick ein bißchen ausgelaugt, was Stories angeht. Aber ich hab eine bessere Idee.«
Ihre bessere Idee lautet, daß sie ihnen in der Anzeigenabteilung helfen will. »Ich hab mir die Zeitschrift angesehen«, sagt sie, »und dabei ist mir aufgefallen, daß ihr nicht besonders viele Anzeigen habt. Ihr müßt Geld verlieren,
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