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Die Räuberbraut

Die Räuberbraut

Titel: Die Räuberbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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einfach nicht loslassen.
    »Ich auch«, sagt Harriet. »Kommen Sie, Roz. In jedem Interview, das Sie je gegeben haben, gibt es Andeutungen darüber. Was hat sie Ihnen denn schon groß erzählt? Nichts, was sich nicht jede Zwölfjährige mit lebhafter Phantasie hätte zusammenreimen können.«
    »Aber die vielen Details«, seufzt Roz.
    »Sie ist gut, zugegeben«, stimmt Harriet ihr zu.
    London erweist sich als ergiebiger; Zenia hat dort tatsächlich für eine Zeitschrift gearbeitet; anscheinend hat sie einen Teil der Artikel, die sie als ihre eigenen ausgegeben hat, tatsächlich geschrieben, aber längst nicht alle. Die über Mode, ja; die über politische Brennpunkte, nein. Die, die unter den Namen von Männern erschienen sind, scheinen durchweg von den fraglichen Männern selbst zu stammen, aber drei der fünf sind tot. Zenia tauchte kurz in den Klatschspalten auf, als ihr Name mit dem eines Kabinettsmitglieds in Verbindung gebracht wurde; es war von »gute Freundin« die Rede, und eine spätere Heirat, die jedoch nie stattfand, wurde nicht ausgeschlossen. Dann kam es zu einem Skandal, als sich nämlich herausstellte, daß Zenia zur gleichen Zeit einen sowjetischen Kulturattache gesehen hatte. »Gesehen« war ein Euphemismus. Es gab eine Menge politischer Beschimpfungen, das für die englischen Skandalzeitschriften übliche Schmutzige-Wäsche-Waschen. Nach diesem Vorfall verschwand Zenia von der Bildfläche.
    »Ist sie wirklich in all diesen Ländern gewesen?« sagt Roz.
    »Wieviel Geld wollen Sie ausgeben?« fragt Harriet.
     
    Daß Roz weiß, wie dünn Zenias Fassade ist, hilft ihr kein bißchen weiter. Sie ist an einem toten Punkt angelangt. Wenn sie Mitch von Zenias Lügen erzählt, wird er nur denken, daß sie eifersüchtig ist.
    Sie ist eifersüchtig. Sie ist so eifersüchtig, daß sie nicht mehr gerade denken kann. In manchen Nächten weint sie vor Wut, in anderen vor Kummer. Sie geht in einem roten Nebel der Wut durchs Leben, in einem grauen Nebel des Selbstmitleids, und sie haßt sich für beides. Sie ruft ihre Dickköpfigkeit zu Hilfe, ihre Kampfbereitschaft, aber wer genau ist ihr Feind? Sie kann nicht gegen Mitch kämpfen, weil sie ihn zurückhaben will. Wenn sie einen kühlen Kopf behält, wird sich das Problem vielleicht von allein lösen. Mitchs Gefühle werden verlöschen wie ein Grillfeuer im Regen, er wird nach Hause zurückkommen, wie er es immer getan hat, er wird wollen, daß sie ihn aus Zenias Fängen befreit, daß sie ihn rettet. Und Roz wird es tun, obwohl es dieses Mal nicht so leicht sein wird. Er hat etwas gebrochen, einen ungeschriebenen Vertrag, eine Form von Vertrauen. Er ist vorher noch nie ausgezogen. Die anderen Frauen waren ein Spiel für ihn, aber Zenia ist blutiger Ernst.
    Es gibt noch eine andere Möglichkeit, wie die Sache ausgehen könnte: Zenia könnte Mitch abstoßen. Sie könnte ihn rausschmeißen, so wie er schon viele rausgeschmissen hat. Mitch würde seine wohlverdiente Strafe bekommen, Roz ihre Rache.
    In der Öffentlichkeit behält Roz ihr Grinsen bei, ihr zähnestarrendes Grinsen. Ihre Kiefermuskeln schmerzen von all diesem Grinsen. Sie will ihre Würde bewahren, eine tapfere Fassade aufrechterhalten. Aber das ist gar nicht so leicht, wo ihr Brustkorb offen klafft und ihr Herz bloßliegt, so daß alle es sehen können; ihr Herz, das in Flammen steht, von dem das Blut heruntertropft.
    Sie kann nicht viel Mitgefühl von ihren Freundinnen erwarten, die schon immer gesagt haben, sie soll Mitch den Laufpaß geben. Sie weiß jetzt, wie sie das gemeint haben: Laß ihn fallen, bevor er dich fallenläßt / Aber sie hat nicht auf sie gehört. Statt dessen hat sie auch weiterhin die Assistentin des Messerwerfers gespielt, in ihrem glitzernden Kostüm, Arme und Beine gespreizt, reglos und lächelnd, während die Messer in die Wand hinter ihr klatschten und die Umrisse ihres Körpers nachzeichneten. Zuck, und du bist tot. Es war unvermeidlich, daß sie eines Tages, aus Versehen oder mit Absicht, getroffen werden würde.
    Tony ruft an. Charis ebenfalls. Sie hört die Besorgnis in ihren Stimmen: sie wissen etwas, sie haben etwas gehört. Aber sie wimmelt sie ab, läßt sie nicht an sich heran. Ein einziger Hauch ihres Mitgefühls würde sie umbringen.
     
    Drei Monate vergehen. Roz strafft die Schultern, beißt sich auf die Lippen, beißt die Zähne so fest zusammen, daß sie das Gefühl hat, bald nur noch Stummel zu haben, färbt sich die Haare kastanienbraun und kauft sich ein

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