Die Räuberbraut
neues Kostüm, ein italienisches Lederkostüm in einem satten Zinnoberrot. Sie hat mehrere unbefriedigende Affären mit Männern. Sie hofft, daß Mitch davon hört und sich windet, aber falls er sich windet, tut er dies in der Abgeschiedenheit seines Zuhauses. Falls man dieses Schlangennest, in dem er lebt, als Zuhause bezeichnen kann. Der schlimmste Fall: er windet sich ganz und gar nicht. Sondern ist entzückt über den Gedanken, daß ein unglücklicher Verlierer sie ihm abnimmt.
Harriet ruft an: sie denkt, Roz würde vielleicht gerne wissen, daß Zenia sich mit einem anderen Mann trifft, nachmittags, wenn Mitch nicht da ist.
»Mit was für einem anderen Mann?« sagt Roz. Adrenalin rauscht ihr durchs Gehirn.
»Sagen wir einfach, daß er eine schwarze Lederjacke trägt und eine Harley fährt und zweimal verhaftet, aber keinmal verurteilt wurde. Mangelnde Aussagebereitschaft der Zeugen.«
»Verhaftungen weswegen?« sagt Roz.
»Dealen. Koks«, sagt Harriet.
Roz erbittet einen schriftlichen Bericht und steckt ihn in einen Umschlag und schickt ihn anonym an Mitch und wartet darauf, daß der zweite Schuh zu Boden fällt; und er fällt tatsächlich, denn am Montag, kurz vor der Mittagszeit, ruft Harriet sie in ihrem Büro an.
»Sie hat ein Flugzeug genommen«, sagt Harriet. »Drei große Koffer.«
»Wohin?« sagt Roz. Ihr ganzer Körper kribbelt. »War Mitch bei ihr?«
»Nein«, sagt Harriet. »Nach London.«
»Vielleicht kommt er später nach« , sagt Roz. Sehr schön, denkt sie. Auf Nimmerwiedersehen, Miststück. Drei Koffer voll.
»Das glaub ich nicht«, sagt Harriet. »Sie sah nicht danach aus.«
»Wonach sah sie denn aus?« fragt Roz.
»Nach dunkler Sonnenbrille«, sagt Harriet. »Nach Tuch um den Hals. Ich würd einiges auf ein blaues Auge wetten, und zwei zu eins, daß er versucht hat, sie zu erwürgen. Oder wenn nicht er, dann jemand anderes. Ich würd sagen, daß sie allem äußeren Anschein nach auf der Flucht ist.«
»Er wird ihr folgen«, sagt Roz, die sich keine zu großen Hoffnungen machen will. »Er ist von ihr besessen.«
Aber als sie abends nach Hause kommt, in ihr Wohnzimmer mit seinen dicken rosa- und malvenfarbenen Teppichen und seinen zarten, gedämpft grünen Akzenten, Neo-Vierziger-Revival mit postmodernen Nuancen, sitzt Mitch in seinem Lieblingssessel, als wäre er nie fort gewesen.
Das heißt, er sitzt in seinem Lieblingssessel. Aber was das fort angeht, so ist er dort gewesen. Weit weit fort. Auf einem ausgebrannten Planeten in einer fernen Galaxie. Er sieht aus, als wäre er im tiefsten Weltall herumgetrieben, wo es kalt und leer ist und es Wesen mit Fangarmen gibt, als hätte er es nur mit knapper Not geschafft, auf die Erde zurückzukommen. Er sieht betäubt aus, er sieht aus, als hätte er einen Schlag auf den Kopf bekommen. Als wäre er überfallen, mit dem Gesicht gegen eine Wand geknallt, in einen Kofferraum gestopft und halbnackt auf eine steinige Straßenböschung geworfen worden, und er hat nicht mal gesehen, wer es war.
Schadenfreude wallt in Roz auf, aber sie erstickt sie. »Mitch«, sagt sie mit ihrer schönsten Gluckenstimme. »Liebling, was ist los?«
»Sie ist weg«, sagt Mitch.
»Wer?« sagt Roz, denn obwohl sie kein Pfund Fleisch verlangen wird, nicht in diesem entscheidenden Augenblick, will sie wenigstens ein bißchen Blut sehen, nur einen oder zwei Tropfen, weil sie durstig ist.
»Du weißt wer«, sagt Mitch mit erstickter Stimme. Vor Kummer oder vor Wut? Roz kann es nicht sagen.
»Ich hol dir einen Drink«, sagt sie. Sie schenkt ihnen beiden einen ein und setzt sich Mitch gegenüber in den zweiten Sessel, ihre übliche Position für derartige Unterhaltungen. Raus-damit-Unterhaltungen. Er wird erklären, sie wird verletzt sein; er wird so tun, als täte es ihm leid, sie wird so tun, als glaubte sie ihm. Sie sitzen sich gegenüber, zwei Pokerspieler, zwei Zocker.
Roz eröffnet. »Wo ist sie hin?« sagt sie, obwohl sie die Antwort kennt; aber sie will wissen, ob er es weiß. Wenn er es nicht weiß, wird sie auf keinen Fall diejenige sein, die es ihm erzählt. Soll er sich doch selbst einen Detektiv nehmen.
»Sie hat ihre Kleider mitgenommen«, sagt Mitch, es ist mehr ein Stöhnen. Er legt eine Hand auf die Stirn, als hätte er Kopfschmerzen. Aha, er weiß es also nicht.
Was soll Roz jetzt tun? Mitleid mit ihrem Mann haben, weil die Frau, die er liebt, die er an ihrer Stelle liebt, aus dem Nest ausgeflogen ist? Ihn trösten? Ihm ein Küßchen geben, und
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