Die Räuberbraut
hohen, weitläufigen Wohnzimmer um, dem geräumigen Heim, das Roz geschaffen hat und das einst auch ihm gehörte. Nicht: Darf ich zurückkommen? Nicht: Ich will dich zurückhaben. Es hat nichts mit Roz zu tun, sie wird überhaupt nicht erwähnt. Er fordert den Raum zurück, das Territorium. Aber er irrt sich sehr. Er denkt, daß er Rechte hat.
»Du hast sie nicht gefunden, nicht wahr?« sagt Roz. Sie reicht ihm den Drink, den sie für ihn eingeschenkt hat, wie in alten Zeiten: einen Single-Mall: Scotch, ohne Eis. Das hat er früher immer getrunken, vor langer, langer Zeit; das trinkt sie in letzter Zeit immer, und mehr als sie sollte. Das Überreichen des Glases läßt sie weicher werden, weil es eine alte Gewohnheit zwischen ihnen war. Nostalgische Sehnsucht nach ihm schnürt ihr die Kehle zu. Sie kämpft gegen das Ersticken. Er trägt eine neue Krawatte, eine unbekannte, mit gräßlichen, pastellfarbenen Tulpen. Sie ist übersät von Zenias Fingerabdrücken, wie von unsichtbaren Brandflecken.
»Nein«, sagt Mitch, ohne sie anzusehen.
»Und wenn du sie gefunden hättest«, sagt Roz, die sich wieder verhärtet, sich selbst Feuer gibt – sie wird ihn nicht bitten, es für sie zu tun, sie sind weit über diese kleinen Gesten der Verehrung hinaus, und abgesehen davon kann man nicht gerade behaupten, daß er mit ausgestrecktem Arm aufspringt – »was hättest du dann getan? Sie grün und blau geschlagen, ihr einen Anwalt auf den Hals gehetzt, oder ihr einen langen, schlabberigen Kuß aufgedrückt?«
Mitch sieht in ihre Richtung, kann ihr aber nicht in die Augen sehen. Es ist, als wäre sie halb unsichtbar, eine Art vor ihm schwebender Schmierfleck. »Ich weiß es nicht«, sagt er.
»Wenigstens bist du ehrlich«, sagt Roz. »Ich bin froh, daß du mich nicht anlügst.« Sie versucht, ihre Stimme sanft klingen zu lassen, die bittere, schneidende Schärfe herauszuhalten. Er belügt sie nicht, aber er tut auch sonst nichts. Soweit es ihn betrifft, gibt es sie gar nicht; sie könnte genausogut nicht da sein. Was immer er tut, tut er sich selbst an. Sie hat sich noch nie im Leben so inexistent gefühlt. »Also, was willst du?« Sie kann genausogut fragen, sie kann genausogut gleich herausfinden, was von ihr verlangt wird.
Aber er schüttelt den Kopf: er weiß auch das nicht. Er trinkt nicht einmal aus dem Glas, das sie ihm gereicht hat. Es ist, als könne er nichts von ihr annehmen. Was bedeutet, daß es nichts gibt, was sie ihm geben kann. »Wenn du dahintergekommen bist«, sagt sie, »könntest du es mich vielleicht wissen lassen.«
Jetzt endlich sieht er sie an. Weiß der Himmel, was er sieht. Einen rächenden Engel, eine Riesin mit entblößtem Arm, ein Schwert in der Hand – es kann nicht Roz sein, die sanfte, gefiederte Roz, nicht so, wie er sie ansieht. Seine Augen machen ihr Angst, weil sie so verängstigt sind. Er hat panische Angst, vor ihr oder vor jemand oder vor etwas, und sie kann den Anblick nicht ertragen. Was immer sonst gewesen ist, in all den Jahren, in denen er seine Affären gehabt und sie gewütet und geweint hat, hat sie sich immer darauf verlassen, daß er die Nerven behält. Aber jetzt hat er einen Sprung, wie ein Sprung in einem Glas; ein bißchen Hitze, und er wird in tausend Stücke zerspringen. Aber wieso sollte es Roz’ Aufgabe sein, die Scherben zusammenzufegen?
»Laß mich einfach hierbleiben«, sagt er. »Laß mich im Haus bleiben. Ich könnte unten schlafen, im Hobbyraum. Ich würde dich nicht belästigen.«
Er bettelt, aber das hört Roz erst im nachhinein. Im Augenblick findet sie die Vorstellung unerträglich: Mitch auf dem Boden, in einem Schlafsack, wie die Freunde der Zwillinge, wenn sie alle zusammen hier übernachten, zurückversetzt in ein Übergangsstadium, zurückversetzt in eine pubertäre Phase. Aus ihrem Schlafzimmer ausgesperrt, schlimmer noch, ohne den Wunsch, eingelassen zu werden. Das ist es – er verschmäht sie, er verschmäht ihren großen, eifrigen, unbeholfenen, gierigen und soliden Körper; er ist nicht mehr gut genug für ihn, nicht einmal als Federbett, nicht einmal als Rückhalt. Er muß sie abstoßend finden.
Aber sie hat noch ein bißchen Stolz, obwohl nur der Himmel allein weiß, wie sie es geschafft hat, ihn sich zu bewahren, und wenn sie ihn zurückkommen läßt, dann nur voll und ganz. »Du kannst mich nicht wie eine Raststätte behandeln«, sagt sie. »Nicht mehr.«
Denn genau das würde er tun, er würde wieder einziehen, sie würde die
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