Die Räuberbraut
kommen vor.
Natürlich muß sie hinter ihm herräumen. Seine Sachen einsammeln, den Dreck wegwischen. Schließlich ist sie immer noch seine Frau.
Das schlimmste ist die Wohnung, die Wohnung, in der er mit Zenia gelebt hat. Er ist nicht in diese Wohnung zurückgegangen, nachdem sie verschwunden war, nachdem er ihr nach Europa gefolgt war, um sie zu suchen. Ein Teil seiner Kleider hängt noch im Schrank – seine eindrucksvollen Anzüge, seine schönen Hemden, seine Krawatten. Roz faltet und packt, wie schon so oft. Seine Schuhe, leerer als leer. Wo immer sonst er sein mag, hier ist er nicht.
Zenia ist stärker gegenwärtig. Die meisten ihrer Sachen sind verschwunden, aber ein chinesischer Morgenmantel, rosenfarbene Seide mit aufgestickten Drachen, hängt über einem Stuhl im Schlafzimmer. Opium, denkt Roz, als sie daran riecht. Oder Poison. Eine Mischung. Es ist der Geruch, der Roz am meisten zu schaffen macht. Die zerwühlten Laken liegen noch auf dem ungemachten Bett, schmutzige Handtücher im Badezimmer. Der Tatort. Sie hätte nicht hierher kommen dürfen, es ist eine einzige Tortur. Sie hätte Dolores schicken sollen.
Roz hört auf, zur Therapie zu gehen. Es ist der Optimismus, den sie nicht mehr ertragen kann, der Glaube, daß die Dinge in Ordnung gebracht werden können, der ihr im Augenblick nur wie eine zusätzliche Last vorkommt. All das, und sie soll auch noch hoffnungsvoll sein? Danke, aber nein danke. So, Gott, sagt sie zu sich selbst. Da hast du wirklich eine tolle Nummer abgezogen. Und ich bin schön drauf reingefallen! Bist du jetzt zufrieden? Was hast du sonst noch im Ärmel? Vielleicht einen netten Krieg, einen kleinen Völkermord – he, wie wäre es mit einer schönen Seuche oder zwei? Sie weiß, daß sie nicht so reden sollte, nicht einmal zu sich selbst, es ist, als würde sie das Schicksal herausfordern, aber es hilft ihr, den Tag zu überstehen.
Den Tag zu überstehen ist das wichtigste. Sie schiebt zwei anstehende Immobiliengeschäfte auf die lange Bank, weil sie nicht in der Lage ist, größere Entscheidungen zu treffen. Die Zeitschrift muß sich eine Weile alleine behelfen, bis sie dazu kommt, sie zu verkaufen, was nicht allzu schwer sein dürfte, weil sie seit den Veränderungen, die Zenia durchgesetzt hat, Gewinne macht. Wenn sie sie nicht verkaufen kann, wird sie sie einstellen. Sie hat einfach nicht das Herz, mit einer Publikation weiterzumachen, die so hohe Ansprüche stellte, Ansprüche, bei deren Umsetzung sie selbst so katastrophal versagt hat. Sie ist keine Superfrau, und versagt ist das Schlüsselwort. Sie war in vielen Dingen ein Erfolg, aber nicht bei der einen Sache, auf die es ankam. Nicht, als es darauf ankam, zu ihrem Mann zu stehen. Denn wenn Mitch Selbstmord beging – wenn nicht genug von ihm übrig war, als daß er hätte leben können –, wessen Schuld war das? Zenias, das auf jeden Fall, aber auch ihre. Sie hätte an seinen Vater denken müssen, der denselben dunklen Weg wählte. Sie hätte ihn zurückkommen lassen müssen.
Den Tag zu überstehen, ist eine Sache, die Nacht, eine andere. Sie kann sich in ihrem prachtvollen Badezimmer mit den beiden Waschbecken nicht einmal die Zähne putzen, ohne Mitch neben sich zu spüren, sie kann sich nicht duschen, ohne nach seinen feuchten Fußstapfen auf dem Boden Ausschau zu halten. Sie kann nicht in der Mitte ihres himbeerfarbenen Betts schlafen, weil er mehr denn je, mehr als damals, als er noch lebte, aber anderswo war, fast da ist. Aber er ist nicht da. Er ist abwesend. Er ist verschollen. Er ist an einen Ort gegangen, an dem sie nicht an ihn herankommt.
Sie kann überhaupt nicht in ihrem himbeerfarbenen Bett schlafen. Sie legt sich hin, steht auf, zieht ihren Morgenmantel an, wandert hinunter in die Küche, wo sie über den Kühlschrank herfällt; oder sie schleicht auf Zehenspitzen durch den Flur im ersten Stock und lauscht auf die Atemzüge ihrer Kinder. Sie ist jetzt ängstlich besorgt um sie, mehr denn je, und sie sind ängstlich besorgt um sie. Trotz ihrer Bemühungen, sie zu beruhigen, ihnen zu sagen, daß es ihr gut geht und alles gut werden wird, macht sie ihnen Angst. Es ist nicht zu übersehen.
Es muß die Ausdruckslosigkeit ihrer Stimme sein, ihr nacktes Gesicht, ohne Make-up und ohne Verkleidung. Sie zieht eine Decke hinter sich her, für den Fall, daß der Schlaf sich doch entschließen sollte, zu ihr zu kommen. Manchmal schläft sie auf dem Fußboden ein, im Wohnzimmer, vor dem Fernseher, den
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