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Die Räuberbraut

Die Räuberbraut

Titel: Die Räuberbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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jedenfalls; und was Larry angeht, so hat er anscheinend nicht die geringste Eile, und falls die völlig verkehrten Frauen, die er bisher angeschleppt hat, ein Beispiel für das sind, was die Zukunft in der Abteilung Schwiegertöchter für sie in petto hält, würde Roz lieber nicht die Luft anhalten.
    Das Leben wäre so viel einfacher, wenn es immer noch arrangierte Ehen gäbe. Dann würde sie, Bargeld in der Hand, auf den Heiratsmarkt gehen, mit einem zuverlässigen Ehevermittler verhandeln, eine nette Braut für Larry reservieren: klug, aber nicht rechthaberisch, lieb und süß, aber kein Blatt im Wind, mit breiten Hüften und einem kräftigen Rücken. Wenn ihre eigene Ehe arrangiert gewesen wäre, hätte sie dann schlimmer ausgehen können als so? War es fair, unerfahrene junge Mädchen in den finsteren Wald zu schicken und sich selbst zu überlassen? Mädchen mit kräftigen Knochen und den vielleicht nicht allerkleinsten Füßen? Eine weise Frau wäre eine große Hilfe, eine kluge, knorrige Alte, die hinter einem Baum hervorkommen, Ratschläge erteilen, sagen würde: Nein, den da nicht. Sagen würde: Es ist nicht alles Gold , was glänzt, bei Männern wie bei Frauen. Bis ins Herz blicken würde. Wer weiß schon, welches Übel in den Herzen der Männer lauert? Eine ältere Frau weiß es. Aber wieviel älter muß man werden, bevor man diese Art Weisheit erwirbt? Roz wartet ständig darauf, daß sie in ihr aufkeimt, ihren Körper überwuchert, ähnlich wie Altersflecken; aber anscheinend ist es noch nicht soweit.
    Sie hievt sich hoch und klopft sich den Hintern ab, ein Fehler, weil ihre Hände von den Büchern ganz staubig sind, wie sie zu spät erkennt, als sie einen Blick darauf wirft, nachdem sie einem zerquetschten Silberfisch begegnet ist, der an ihrem veloursbedeckten Po klebte, und weiß der Himmel, was sonst noch alles auf ihr herumgekrabbelt ist, während sie dort saß und Maulaffen feilhielt. Maulaffen feilhalten, der Ausdruck ihrer Mutter, ein so alter, in so ferner Zeit verwurzelter Ausdruck, daß niemand mehr so richtig weiß, wo er herkommt. Wieso ist Maulaffen feilhalten gleichbedeutend mit Faulheit? Für ihre Mutter waren sowohl Lesen als auch Nachdenken dasselbe wie Untätigkeit. Rosalind! Hör auf Maulaffen feilzuhalten. Feg den Bürgersteig.
    Roz’ Beine sind eingeschlafen. Jeder Schritt, den sie macht, schickt Nadelstiche durch sie hindurch. Sie humpelt zur Kellertreppe und bleibt zwischendurch stehen, um laut zu stöhnen. Wenn sie in der Küche ist, wird sie den Kühlschrank aufmachen, nur um zu sehen, ob er etwas enthält, was sie gerne essen würde. Sie hat nichts Richtiges zu Abend gegessen, das tut sie oft nicht. Niemand da, der für sie kocht, niemand da, für den sie kochen könnte, nicht etwa, daß sie je gekocht hätte. Niemand da, für den man etwas kommen lassen könnte. Mahlzeiten sollten gemeinsam eingenommen werden. Ihre Vorstellung von einem richtigen Essen beinhaltet andere Leute, jede Menge anderer Leute, falls möglich; Gespräche, Geräusche, erhobene Gläser, Gesichter rund um den Tisch herum, Kinder, die einem zwischen den Beinen herumkrabbeln, so wie ihre eigenen einst herumkrabbelten. Oder aber eine weitere Person – Kerzen, Blumen, Händchenhalten, Knietätscheln, verträumte Blicke. Allein essen kann wie allein trinken sein – ein Versuch, der Klinge die Schärfe zu nehmen, die Leere zu füllen. Die Leere; die unausgefüllte, mannförmige Leere, die Mitch hinterlassen hat.
    Aber der Kühlschrank wird nichts enthalten, was sie will; oder vielleicht ein paar Sachen, aber sie wird nicht derart tief sinken, sie wird die Schoko-Rum-Eiscremesoße nicht löffelweise direkt aus dem Glas in sich hineinstopfen, wie sie es früher getan hat, sie wird sich nicht über die Dose mit der pate de foie gras hermachen, die sie für weiß der Himmel welche mythische Gelegenheit aufhebt, zusammen mit der Flasche Champagner, die ganz hinten im Kühlschrank versteckt ist. Der Kühlschrank enthält etwas rohes Gemüse, Ballaststoff, den sie in einem Anfall ernährungsbewußter Tugend gekauft hat, aber im Augenblick steht ihr nicht der Sinn danach. Sie weiß, welches Schicksal diesem Gemüse bevorsteht: es wird sich in seinem Fach langsam, aber sicher in grünen und orangenen Glibber verwandeln, und dann wird sie neues kaufen.
    Vielleicht könnte sie Charis oder Tony oder beide anrufen, sie zu sich einladen; ein paar schweißtreibend scharfe Hühnerflügel aus dem indischen Imbiß an der

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