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Die Räuberbraut

Die Räuberbraut

Titel: Die Räuberbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Gegenstand, und einen Klumpen Erde aus ihrem Garten. Sie meditierte zweimal täglich zwanzig Minuten lang vor dieser Kollektion.
    Sie wollte die positiven Aspekte ihrer Freundinnen in sich absorbieren, all die Dinge, die ihr selbst fehlten. Von Tony wollte sie die geistige Klarheit, von Roz ihren lautstarken Metabolismus und ihre planerischen Fähigkeiten. Und ihr flinkes Mundwerk, denn wenn Zenia anfing, Charis zu beleidigen, wäre sie in der Lage, sich etwas wirklich Neutralisierendes einfallen zu lassen, was sie zurücksagen konnte. Von der Gartenerde wollte sie die Kraft des Untergrunds. Von der Bibel – was? Die Gegenwart ihrer Großmutter allein würde reichen; ihre Hände, ihr blaues, heilendes Licht. Die Ringelblumen und die Amethyst-Druse sollten diese unterschiedlichen Energien aufnehmen und kanalisieren. Was sie im Sinn hatte, war etwas Konzentriertes, wie ein Laserstrahl.
    Bei der Arbeit fällt Shanita auf, daß Charis zerstreuter ist als sonst. »Beunruhigt dich was?« sagt sie.
    »Irgendwie schon«, sagt Charis.
    »Sollen wir die Karten fragen?«
    Sie sind damit beschäftigt, das Innere des neuen Ladens zu planen. D as heißt, Shanita plant, und Charis bewundert die Ergebnisse. Im Fenster wird ein großes Transparent aus Packpapier hängen, auf dem mit Buntstift der Name des Ladens geschrieben steht, »wie Kinderschrift«, sagt Shanita: Pfennigfuchser. Rechts und links sollen riesige Schleifen hinkommen, ebenfalls aus Packpapier, von denen lange Bindfäden herunterhängen. »Es geht darum, daß alles ganz einfach aussehen muß«, sagt Shanita. »Wie selbstgemacht. Du weißt schon, bezahlbar.« Sie wird die handgeölten Schaukästen aus Ahornholz verkaufen und neue anfertigen lassen, aus einfachen Brettern, aus denen die Nägel herausgucken. Der Apfelsinenkisten-Look, sagt sie. »Einen Teil der Steine und der Kräuter können wir behalten, aber wir tun sie nach hinten, nicht ins Fenster. Luxus ist nicht unser Ding.« Shanita hat alle Hände voll zu tun, die neue Ware zu bestellen: Bausätze zur Herstellung von Umpflanztöpfen aus alten Zeitungen, andere Bausätze, mit deren Hilfe man Weihnachtskarten aus alten Zeitschriften machen kann, und wieder andere Anleitungen für Grußkarten aus gepreßten Blumen und Knitterpapier, das man mit Hilfe eines Haarföhns herstellt. Kompostierer für Küchenabfälle mit organischen hölzernen Deckeln werden zum Verkauf angeboten; ebenso wie komplette Sets zum Sticken von Kissenbezügen mit einem Blumenmuster im Stil des achtzehnten Jahrhunderts, die ein Vermögen kosten, wenn man sie fertig kauft. Und mechanische Kaffeemühlen, wunderschöne Mühlen aus Holz, mit einer Schublade für den gemahlenen Kaffee. Elektrische Kleingeräte, sagt Shanita, sind nicht mehr gefragt. Handarbeit ist wieder angesagt.
    »Wir brauchen Zeug, aus dem man anderes Zeug machen kann, für das man sonst eine Menge mehr bezahlen müßte«, sagt Shanita. »Sparen, das ist unser Thema. Mein Gott, ich kenne diesen Mist in- und auswendig, ich hab mein ganzes Leben nichts anderes gemacht. Das Problem ist nur, daß mir noch keiner gesagt hat, was man mit einer Million Gummibänder anfängt.«
    Sie hat beschlossen, auch ihre Arbeitskleidung zu ändern: statt der blumigen Pastelltöne werden sie Zimmermannsschürzen aus Segeltuch tragen, in Beige, und eckige Mützen aus gefaltetem Packpapier. Ein Bleistift hinter dem Ohr wird den Look vervollständigen. »Ganz geschäftsmäßig«, sagt Shanita.
    Trotz der Bewunderung, die Charis äußert, weil alle Kreativität unterstützt werden sollte, und das hier ist zweifellos kreativ, weiß Charis nicht so genau, ob sie wirklich noch hierher passen wird. Es wird ganz schön schwierig werden, aber sie wird es versuchen müssen, denn was für andere Jobs gibt es schon, vor allem für sie? Vielleicht würde sie nicht einmal mehr einen Job in irgendeiner Aktenablage finden; nicht, daß sie das wollte, sie findet nicht, daß das Alphabet eine zutreffende Art ist, Dinge zu klassifizieren. Aber wenn sie bleibt, wird sie energischer werden, die Dinge mehr in die Hand nehmen, besser in den Griff bekommen, aktiv verkaufen müssen. Shanita sagt, daß erstklassiger Service und knallhart kalkulierte Preise die Losung der Zukunft sind. Und möglichst geringe Unkosten. Wenigstens haben sie keine Schulden. »Dem Himmel sei Dank, daß ich nie viel gepumpt hab«, sagt Shanita. »Und weißt du, wieso nicht? Weil die Banken mir nie was geben wollten.«
    »Warum nicht?« sagt

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