Die Räuberbraut
suchen würden?«
Zenia lacht, ihr vertrautes Lachen, warm und bezaubernd und unbekümmert, und voller Verachtung für die Dummheit anderer. »Der letzte Ort«, sagt sie. »Sie haben ihre Hausaufgaben gemacht, sie wissen, daß du mich haßt! Du bist die Ehefrau, ich die Ex-Freundin. Sie würden nie im Leben glauben, daß du mich bei dir aufnehmen würdest.«
»Zenia«, sagt Tony. »Wer genau sind diese Leute, und wieso sind sie hinter dir her?«
Zenia zuckt die Schultern. »Das übliche«, sagt sie. »Ich weiß zuviel.«
»Hör auf«, sagt Tony. »Ich bin kein Baby. Zuviel worüber? Und sag nicht, daß es gesünder für mich ist, es nicht zu wissen.«
Zenia beugt sich vor. Sie senkt die Stimme. »Sagt dir der Name Projekt Babylon was?« sagt sie. Sie muß wissen, daß das der Fall ist, sie weiß, welches Spezialgebiet Tony hat. »Die Superkanone für den Irak«, fügt sie hinzu.
»Gerry Bull«, sagt Tony. »Das Ballistikgenie. Natürlich. Er wurde ermordet.«
»Um es milde auszudrücken«, sagt Zenia. »Na ja.« Sie stößt Rauch aus und sieht Tony auf eine Weise an, die fast kokett wirkt, der Blick einer Schleiertänzerin.
»Du hast ihn doch nicht erschossen!« sagt Tony fassungslos. »Du doch nicht!« Sie kann nicht glauben, daß Zenia tatsächlich einen Menschen getötet haben soll. Nein: sie kann nicht glauben, daß ein Mensch, der vor ihr sitzt, in einem wirklichen Zimmer, in der wirklichen Welt, jemanden erschossen hat. Solche Dinge passieren hinter den Kulissen, woanders; sie gehören der Vergangenheit an. Hier, in diesem kalifornienbunten Zimmer mit seinen milden Möbeln, seiner Neutralität wären sie Anachronismen.
»Nein, ich nicht«, sagt Zenia. »Aber ich weiß, wer es war.«
Sie steckt sich eine neue Zigarette an, sie raucht eine nach der anderen. Die Luft um sie herum ist grau, Tony wird es allmählich schwindelig. »Die Israelis«, sagt sie. »Wegen der Irak-Geschichte.«
»Nicht die Israelis«, sagt Zenia schnell. »Das ist eine falsche Spur. Ich war da, ich gehörte mit zum Plan. Ich war nur das, was man als Bote bezeichnen könnte; aber du weißt ja, was mit den Überbringern von Nachrichten passiert.«
Tony weiß es. »Oh«, sagt sie. »O je.«
»Meine beste Chance«, sagt Zenia eifrig, »besteht darin, alles einer Zeitung zu erzählen. Restlos alles! Dann hätte es keinen Sinn mehr, mich zu töten, richtig? Außerdem könnte ich mir damit ein paar Scheine verdienen, was mir, wie ich gestehen muß, nicht ungelegen käme. Aber niemand wird mir glauben, solange ich keine Beweise hab. Keine Sorge, ich hab die Beweise; sie sind nicht in dieser Stadt, aber sie sind unterwegs. Also hab ich mir gedacht, ich könnte für ein Weilchen bei dir und West unterkriechen, nur so lange, bis meine Beweise da sind. Ich weiß, wie sie kommen, ich weiß, wann sie kommen. Ich würd mich wirklich ganz still verhalten, ich würd nur einen Schlafsack brauchen, ich könnte oben schlafen, in Wests Arbeitszimmer...«
Plötzlich ist Tony wieder voll da. Das Wort West hallt wie ein Peitschenknall durch ihren Kopf: das ist der Schlüssel, das ist es, was Zenia in Wirklichkeit will, und woher weiß Zenia, daß West ein Arbeitszimmer hat, und daß es oben ist? Sie hat Tonys Haus nie von innen gesehen. Oder doch?
Tony steht auf. Ihre Knie zittern, als wäre sie soeben vom Rand einer abbröckelnden Felswand zurückgerissen worden. Um ein Haar wäre sie schon wieder auf Zenia hereingefallen! Die ganze Gerry- Bull-Geschichte ist nichts als eine gewaltige Lüge, eine maßgeschneiderte, faustdicke Lüge. Jeder hätte diese Geschichte zusammenstümpern können, man brauchte nur Jane’s Defence Weekly und die Washington Post zu lesen. Und Zenia – die Tonys Schwächen kennt, ihr Interesse an den neuesten Mätzchen im Bereich der Waffentechnologie – muß genau das getan haben.
Es gibt keine Vendetta, es gibt keine sie, niemand ist hinter Zenia her, höchsten der Schuldeneintreiber. Sie will nur in Tonys Burg einbrechen, ihr gepanzertes Haus, ihren einzigen sicheren Ort, und West daraus herausziehen wie eine Schnecke. Sie will ihn frisch und zappelnd auf ihre Gabel spießen.
»Ich glaub nicht, daß das gehen wird«, sagt Tony und versucht, ihre Stimme ganz ruhig klingen zu lassen. »Ich glaub, daß ich jetzt besser gehen sollte.«
»Du glaubst mir nicht, nicht wahr?« sagt Zenia. Ihr Gesicht ist ganz still geworden. »Meinetwegen. Sonn dich ruhig in deiner selbstgerechten Empörung, du miese kleine Ratte. Du warst
Weitere Kostenlose Bücher