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Die Räuberbraut

Die Räuberbraut

Titel: Die Räuberbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Baby zur Welt bringen. Für ihn warst du nichts weiter als eine stumpfe Möse, um genau zu sein.«
    »So was hätte Billy nie gesagt«, sagt Charis.
    »Er hat gesagt, Sex mit dir war wie eine Steckrübe bumsen«, fährt Zenia erbarmungslos fort. »Und jetzt hör mir zu, Charis. Zu deinem eigenen Besten. Ich kenn dich, und ich kann mir vorstellen, wie du deine Zeit verbracht hast. Wahrscheinlich in härenen Hemden. Die Einsiedlerin gespielt. Hinter Billy hergeheult. Aber er ist nur ein Vorwand für dich; er ist für dich eine Möglichkeit, deinem Leben aus dem Weg zu gehen. Gib ihn auf. Vergiß ihn.«
    »Ich kann ihn nicht vergessen«, sagt Charis mit winziger Stimme. Wie kann sie nur hier sitzen und zulassen, daß Zenia Billy in Stücke reißt? Die Erinnerung an Billy. Wenn diese Erinnerung nicht mehr ist, was bleibt ihr dann von all dieser Zeit? Nichts. Eine Leere.
    »Noch mal, im Klartext: er war es nicht wert«, sagt Zenia. Sie klingt genervt. »Weißt du, weshalb ich damals zu euch kam? Um ihn umzudrehen. Und glaub mir, er hat es mir verdammt leichtgemacht.«
    »Umzudrehen?« sagt Charis. Sie kann sich kaum konzentrieren; sie hat das Gefühl, ins Gesicht geschlagen zu werden, erst auf die eine Seite, dann auf die andere. Halt die andere Wange hin. Aber wie oft?
    »Umdrehen, zum Überläufer machen«, sagt Zenia wie zu einem kleinen Kind. »Billy ist ein Informant geworden. Er ist in die Staaten zurückgegangen und hat über all seine bombenwerfenden kleinen Freunde ausgepackt, über die, die noch hier waren.«
    »Ich glaub dir nicht«, sagt Charis.
    »Es ist mir scheißegal, ob du mir glaubst oder nicht«, sagt Zenia. »Es ist trotzdem wahr. Er hat seine Kumpel verhökert, um seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen und sich nebenbei ein bißchen was zu verdienen. Sie haben ihn mit einer neuen Identität und einem mickrigen kleinen Job als drittklassiger Spion abgefunden, und nicht einmal den hat er besonders gut hingekriegt. Als ich ihn das letzte Mal sah, in Baltimore oder was weiß ich, war er ziemlich frustriert. Ein heruntergekommener, greinender Speed-Freak und Säufer, und außerdem hatte er eine Glatze.«
    »Das hast du ihm angetan«, flüstert Charis. »Du hast ihn ruiniert.« Ihren goldenen Billy.
    »Quatsch«, sagt Zenia. »Das hat er auch gesagt, aber ich hab ihm nicht mal richtig den Arm verdrehen müssen! Ich hab ihm nur seine Möglichkeiten gezeigt, und Billys Möglichkeiten waren entweder das oder was bedeutend Unangenehmeres. In der wirklichen Welt ziehen die meisten Leute es vor, die eigene Haut zu retten. Es ist etwas, worauf man sich verlassen kann, in neun von zehn Fällen.«
    »Du hast für die Mounties gearbeitet«, sagt Charis. Das ist am schwersten zu glauben – es ist so widersinnig. Zenia auf der Seite von Gesetz und Ordnung.
    »Nicht ganz«, sagt Zenia. »Ich hab immer frei gearbeitet. Billy war einfach nur eine Gelegenheit. Diese scheinheiligen, liberalen Laßt-uns-den-armen-Deserteuren-helfen-Gruppen waren bis unter die Arme infiltriert, und ich hatte ein paar Beziehungen und konnte einen Blick in die Akten werfen. Ich konnte mich aus der McClung Hall an dich erinnern – sie hatten auch über dich eine Akte, obwohl ich ihnen gleich gesagt habe, daß das reine Papierverschwendung ist, um erst gar nicht vom schwerverdienten Geld der Steuerzahler zu reden, daß sie genausogut eine Akte über ein Glas Gelee führen könnten –, und ich hab damit gerechnet, daß du dich auch an mich erinnern würdest. Kein Problem, mir ein blaues Auge zuzulegen und in deinem Yoga-Kurs aufzutauchen. Den Rest hast du selbst erledigt! Und jetzt muß ich mich anziehen, falls du nichts dagegen hast, ich hab noch was zu tun. Billy lebt übrigens in Washington. Falls du ein freudiges Wiedersehen zwischen ihm und seiner verlorenen Tochter arrangieren möchtest, geb ich dir gerne seine Adresse.«
    »Ich glaub, lieber nicht«, sagt Charis. Ihre Beine zittern; eine Minute hat sie Angst aufzustehen. Billy liegt in tausend Scherben in ihrem Kopf. Lösch die Kassette , sagt sie zu sich selbst, aber die Kassette will sich nicht löschen lassen. Sie erkennt, daß sie keine Waffen hat, keine Waffen, die gegen Zenia wirken. Alles, was Charis auf ihrer Seite hat, ist der Wunsch, gut zu sein, und Gutsein ist eine Abwesenheit, die Abwesenheit des Bösen; während Zenia die wirkliche Geschichte hat.
    Zenia zuckt die Schultern. »Wie du meinst«, sagt sie. »Wenn ich an deiner Stelle wär, würd ich ihn von meiner

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