Die Räuberbraut
welchem es sich um ein mittelgewichtiges Unternehmen handelt, und ehe man sich versieht, hat sie sich mit Mr. Klebrig zusammengetan, und die beiden leben glücklich und zufrieden im Designer-Liebesnest des Jahres und überlassen es unserer kleinen Mrs., sich das gequälte kleine Herz zu zermartern, was sie auch brav tut. Aber die Leidenschaft schwindet, auf Vampiras Seite, nicht auf seiner, und als er dahinterkommt, daß sie mit irgendeinem Hengst auf einem Motorrad Liebe am Nachmittag spielt, und ihr eine Szene macht, fälscht sie ein paar Schecks – unter seinem Namen, den sie zweifellos von zahllosen, vollgesabberten Rührbriefchen kopiert hat - und verschwindet mit der Kohle. Kühlt das seine Leidenschaft? Haben Hühner Titten? Nein. Er rast ihr nach, als wär er mit der Unterhose in die Steckdose geraten.«
»Das Stück kenn ich«, sagt Boyce. »Kommt in allen Lebenslagen vor.«
»Mrs. Leichtfinger ist also verschwunden«, sagt Roz. »Aber wenig später kommt sie in eine Suppendose eingeschweißt zurück. Wie es scheint, hat sie einen häßlichen kleinen Unfall gehabt und ist höchstens noch als Katzenfutter zu gebrauchen. Sie wird auf dem Friedhof eingepflanzt, worüber ich – worüber meine Freundin – keine Tränen vergießt, und Mr. Kummervoll kommt zu seinem kleinen Frauchen zurückgekrochen, das sich aber auf die Hinterbeine stellt und sich weigert, ihn zurückzunehmen. Können Sie es ihr verdenken? Ich mein, genug ist genug. Aber statt sich einer Gehirnwäsche zu unterziehen, was überfällig gewesen wäre, oder sich ein neues kleines Sexspielzeug zuzulegen, wie er es vorher viele Male getan hat, tut er was? Er stirbt vor lauter Liebe, nicht für Mrs. Häuslichkeit, sondern für Mrs. Feurige Lenden. Und so segelt er mitten in einem Hurrikan mit seinem Boot hinaus und läßt sich ertränken. Vielleicht ist er sogar gesprungen. Wer weiß?«
»Was für eine Verschwendung«, sagt Boyce. »Körper sind soviel erfreulicher, wenn sie noch am Leben sind.«
»Das ist noch nicht alles«, sagt Roz. »Dann stellt sich heraus, daß diese Frau gar nicht tot war, sondern nur Spaß gemacht hat. Sie taucht wieder auf, und dieses Mal schlägt sie ihre Krallen in den einzigen Sohn – den einzigen und alleinigen heißgeliebten Sohn –, ich mein, können Sie sich das vorstellen? Sie muß fünfzig sein] Jedenfalls schlägt sie ihre Krallen in den Sohn der Frau, die sie ausgenommen hat wie eine Weihnachtsgans, und des Mannes, den sie so gut wie umgebracht hat 1 .«
»Wie schwülstig«, murmelt Boyce.
»Hören Sie, ich hab das Drehbuch nicht geschrieben«, sagt Roz. »Ich erzähl es Ihnen nur, und mit Literaturkritik ist mir nicht gedient. Ich will von Ihnen nur eins wissen – was würden Sie tun?«
»Sie fragen mich?« sagt Boyce. »Was ich tun würde? Zuerst würde ich mich vergewissern, ob sie wirklich eine Frau ist. Sie könnte ein verkleideter Mann sein.«
»Boyce, das hier ist ernst«, sagt Roz.
»Ich bin ernst«, sagt Boyce. »Und eigentlich wollen Sie wissen, was Sie tun sollen. Richtig?«
»Kurz gesagt«, sagt Roz.
»Besessenheit ist der bessere Teil der Tapferkeit«, sagt Boyce. »Shakespeare.«
»Und das heißt?«
»Sie werden sich mit ihr treffen müssen«, seufzt Boyce. »Reinen Tisch machen. O Roz, bist siech. Machen Sie eine Szene. Schreien und kreischen Sie. Sagen Sie ihr, was Sie von ihr halten. Klären Sie die Atmosphäre, glauben Sie mir, es ist nötig. Sonst: Unsichtbar wird der Wurm, die Nächte durch hin, in heulendem Sturm, finden dein Bett der purpurnen Lust; dunkel heimlich sein Lieben, wird dir zernagen die Brust. Blake.«
»Wahrscheinlich«, sagt Roz. »Das Dumme ist nur, daß ich mir selbst nicht über den Weg traue.«
Roz begibt sich auf den Weg zum Arnold Garden Hotel. Sie nimmt ein Taxi, weil sie zu überdreht ist, um selbst zu fahren. Sie muß sich nicht einmal an der Rezeption melden, weil diese von Männern umdrängt ist, die wie Vertreter aussehen; sie geht einfach durch die jämmerliche Halle mit ihren schäbigen Ledersofas im Retro-Look und ihrem aus »Canadian Woman« abgekupferten armseligen Blumenarrangement im Do-it-yourself-Stil anno 1984 und den Glastüren nach hinten hinaus, die den Blick auf einen schäbigen Innenhof mit einem Springbrunnen aus Beton freigeben, der jedem Provinzrathaus Ehre gemacht hätte und zu einem Garten im selben Verhältnis steht wie Fertiggerichte für die Mikrowelle zu einem richtigen Essen, und hinein in den ledergepolsterten
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