Die Räuberbraut
sie umbringen! So eine Unverfrorenheit, so eine Frechheit, so eine unglaubliche Geschmacklosigkeit , sich den armen, kleinen, hilflosen Larry zu krallen, Larry, Sohn von Mitch, nachdem sie schon den Vater ins Jenseits befördert hat. Also gut, so gut wie ins Jenseits befördert. Such dir jemanden von deiner Größe! Und Larry, ein wehrloses Opfer, das arme Lamm; so allein, so durcheinander. Wahrscheinlich erinnert er sich aus der Zeit, als er fünfzehn war, an Zenia; wahrscheinlich war er damals unsterblich in sie verliebt. Wahrscheinlich denkt er, daß sie hinreißend ist, und warm und verständnisvoll. Zenia hat in der Abteilung hinreißend und verständnisvoll einiges auf dem Kasten. Und wenn sie ihm dazu noch ein paar traurige Schwänke aus ihrem Leben erzählt, denkt er natürlich, sie sind beide vom Sturm gebeutelte Waisenkinder. Roz hält es einfach nicht aus!
Rauch blubbert ihr durch die Lungen, und nach einer Weile fühlt sie sich ein wenig ruhiger. Sie geht in ihr Büro zurück, während ihr Hirn langsam vor sich hinbrutzelt. Was, zum Teufel noch mal, soll sie jetzt bloß tun?
Sie klopft an Boyces Tür. »Boyce? Was dagegen, wenn ich Sie eine Minute ausquetsche?« sagt sie.
Boyce erhebt sich höflich und bietet ihr einen Stuhl an. »Bittet, so wird euch gegeben«, sagt er. »Gott.«
»Als ob ich das nicht wüßte«, sagt Roz. »Aber in letzter Zeit hab ich von ihm keine so tollen Resultate bekommen, jedenfalls nicht in der Abteilung Antworten.« Sie setzt sich, schlägt die Beine übereinander und nimmt den Kaffee, den Boyce ihr reicht. Der Scheitel in seinen Haaren ist so gerade gezogen, daß es fast wehtut, wie mit einem Messer. Auf seiner Krawatte sind winzige Enten. »Ich möchte Ihnen einen theoretischen Fall vorlegen«, sagt sie.
»Ich bin ganz Ohr«, sagt Boyce. »Geht es um unsere Gebißkleber?«
»Nein«, sagt Roz. »Es ist eine Geschichte. Es war einmal eine Frau, die mit einem Mann verheiratet war, der ständig andere Geschichten laufen hatte.«
»Jemand, den ich kenn?« sagt Boyce. »Der Typ, mein ich.«
»Geschichten mit anderen Frauen«, sagt Roz mit fester Stimme. »Jedenfalls spielte diese Frau das Spiel mit, wegen der Kinder, und weil diese Geschichten nie lange dauerten, weil die anderen Frauen nur sexuelle Aufziehpuppen waren, wenigstens sagte der Mann das immer. Wenn man ihn hörte, war unsere Heldin das einzig Wahre, sein Augapfel, das Feuer in seinem Kamin und so weiter und so fort. Dann kommt eines Tages dieses Flittchen daher – entschuldigen Sie, diese Person, ungefähr im selben Alter wie die Frau, um die es hier geht, nur daß sie, wie ich zugeben muß, bedeutend besser aussah, obwohl ihre Titten, unter uns gesagt, unecht waren.«
»Sie geht in Schönheit wie die Gicht«, sagt Boyce verständnisvoll. »Byron.«
»Genau«, sagt Roz. »Außerdem war sie clever, aber wenn sie ein Mann gewesen wär, hätte man sie als Wichser bezeichnen müssen.
Ich mein, es gibt keinen weiblichen Ausdruck dafür, weil Miststück es nicht einmal ansatzweise trifft. Jedenfalls erzählt sie irgendeine Geschichte, von wegen daß sie eine halbjüdische Kriegswaise ist, die vor den Nazis gerettet wurde, und unsere Heldin, die ein großes Herz hat, fällt prompt drauf rein und besorgt ihr einen Job; und Mrs. Manipulatrice tut so, als wär sie die dickste Freundin unserer Freundin, und zeigt dem Ehemann die kalte Schulter und gibt ihm durch Körpersprache zu verstehen, daß sie ihn für unattraktiver hält als einen Gartenzwerg, was sich am Ende auch als die letzte Wahrheit herausstellte.
Derweil haben unsere beiden dicken Freundinnen viele kuschelige Geschäftsessen miteinander, bei denen sie sich über Gott und die Welt und den Stand der Geschäfte unterhalten. Und dann fängt die Lady an, es hinter Mrs. Schwachkopfs Rücken mit Mr. Einfaltspinsel zu treiben. Für sie ist das Ganze nur ein Ding – schlimmer, eine Taktik –, aber für ihn ist es das Wahre , die große Leidenschaft, endlich. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat, aber sie hat es geschafft, und in Anbetracht der Tatsache, daß es sich ausgerechnet um ihn handelte und Tausende vor ihr versagt hatten, bleibt einem nichts anderes übrig als zuzugeben, daß sie geradezu genial war.»
»Genialität ist die unendliche Fähigkeit, Schmerzen zu verursachen«, sagt Boyce düster.
»Richtig«, sagt Roz. »Jedenfalls wickelt sie alle so weit um den Finger, daß sie ihr die Leitung des fraglichen Unternehmens überlassen, bei
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