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Die Räuberbraut

Die Räuberbraut

Titel: Die Räuberbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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ihren Ohren kaum. Sie traut ihnen tatsächlich gar nicht. Da muß doch mehr dahinterstecken, und das tut es auch. »Aber wenn die Sache noch lange weitergeht, könnte sie natürlich ein bißchen komplizierter werden«, sagt Zenia. »Ich könnte vergeßlich werden und ein bißchen zu viel von der Wahrheit erzählen. Der Wahrheit darüber, was für ein abartiges Schwein Larrys Vater in Wirklichkeit war.«
    Roz sieht rot. Sie sieht tatsächlich rot, ein roter Nebel verschleiert ihren Blick. Es ist eine Sache, wenn sie selbst Mitch kritisiert, aber wenn Zenia es tut, ist das etwas völlig anderes. »Du hast ihn benutzt«, sagt sie. »Du hast ihn ausgenommen, du hast ihn ausgelutscht, und dann hast du ihn einfach weggeworfen! Du bist schuld an seinem Tod, und das weißt du auch. Er hat sich deinetwegen umgebracht, ich denke nicht, daß du das Recht hast, über ihn zu urteilen.«
    »Willst du es wissen?« sagt Zenia. »Willst du es wirklich wissen? Als ich ihm sagte, daß es so nicht weitergeht, weil er einfach zu verrückt nach mir war – Scheiße, ich konnte kaum noch atmen, er wollte die absolute Kontrolle, ich hatte überhaupt kein eigenes Leben mehr, er wollte wissen, was ich zum Frühstück gegessen hatte, ich konnte nicht mal pinkeln gehen, ohne daß er mitkommen wollte, das ist mein völliger Ernst! –, hat er praktisch versucht, mich umzubringen! Ich hatte noch Wochen später blaue Flecken am Hals; ein Glück, daß ich nicht zu zimperlich war, ihm in die Eier zu treten, so hart ich konnte, damit er endlich losließ. Und dann heulte er mich von oben bis unten voll; er wollte, daß wir beide einen idiotischen Selbstmordpakt schließen, damit wir im Tod Zusammensein könnten! Das hätte bestimmt Spaß gemacht! Du kannst mich mal, hab ich zu ihm gesagt. Also mach gefälligst mir keine Vorwürfe. Ich hab damit nichts zu tun.«
    Roz will das alles nicht hören, sie kann es nicht ertragen! Der arme Mitch, das hat sie also aus ihm gemacht. Einen greinenden Waschlappen. »Du hättest ihm helfen können«, sagt sie. »Er brauchte Hilfe!« Natürlich hätte auch Roz ihm helfen können. Und sie hätte ihm geholfen, wenn sie es gewußt hätte. Oder?
    »Spiel dich nicht so auf«, sagt Zenia. »Du solltest mir einen Orden dafür verleihen, daß ich ihn dir vom Hals geschafft habe. Mitch war ein kranker Lüstling. Was er von mir wollte, waren sexuelle Perversitäten – er wollte gefesselt werden, er wollte, daß ich lederne Unterwäsche trug, und noch ganz andere Sachen, Sachen, um die er dich nie gebeten hätte, weil du ja seine Engelsfrau warst. Ab einem bestimmten Alter werden Männer so, aber das war zuviel. Ich kann dir nicht mal die Hälfte erzählen, es war so was von lächerlich.«
    »Du hast ihn dazu gebracht«, sagt Roz, die inzwischen am liebsten aus dem Zimmer flüchten würde. Es ist zu demütigend für Mitch. Es macht ihn zu klein. Es ist zu schmerzhaft.
    »Frauen wie du machen mich krank«, sagt Zenia wütend. »Du hast immer Sachen besessen. Aber ihn hast du nicht besessen. Er war nicht dein gottgegebenes Eigentum. Du denkst, daß du Rechte an ihm hattest? Niemand hat irgendwelche Rechte, außer denen, die man kriegen kann!«
    Roz atmet tief durch. Wenn sie die Beherrschung verliert, verliert sie den Kampf. »Vielleicht«, sagt sie. »Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß du ihn zum Frühstück verspeist hast.«
    »Dein Problem, Roz«, sagt Zenia, etwas sanfter, »ist, daß du dem Mann nie was zugetraut hast. Du hast ihn immer als ein Opfer der Frauen gesehen, Wachs in ihren Händen. Du hast ihn wie ein Baby behandelt. Hast du je daran gedacht, daß Mitch für seine eigenen Handlungen verantwortlich war? Er traf seine eigenen Entscheidungen, und vielleicht hatten diese Entscheidungen gar nicht so viel mit mir zu tun, oder mit dir. Mitch tat, was er tun wollte. Er ist das Risiko bewußt eingegangen.«
    »Bloß daß du die Karten gezinkt hattest«, sagt Roz.
    »Ach, bitte«, sagt Zenia. »Es gehören immer zwei dazu, Tango zu tanzen. Aber zurück zur Sache. Ich hab einen Vorschlag für dich. Vielleicht sollte ich, Larry zuliebe, die Stadt verlassen. Aber Larry wär nicht der einzige Grund, Roz, ich will ganz ehrlich mit dir sein. Ich muß die Stadt sowieso verlassen. Ich bin hier in Gefahr, und deshalb bitte ich dich auch um der alten Zeiten willen. Aber ich kann es mir im Augenblick nicht leisten; ich will dir nicht verheimlichen, daß ich ziemlich in der Klemme sitz. Ich wär wie ein geölter Blitz

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