Die Räuberbraut
Aufzug.
Die ganze Zeit übt sie ihr: War einer nicht genug? Willst du meinen Sohn auch noch umbringen? Laß die Pfoten von meinem Kindl Sie kommt sich vor wie eine Tigerin, die ihr Junges verteidigt. Wenigstens heißt es immer, daß Tigerinnen das tun. Ich blase und puste, röhrt sie innerlich, und ich puste dein Haus um!
Bloß daß Zenia nie viel für Häuser übrig hatte. Nur dafür, in sie einzubrechen.
In ihrem Hinterkopf spielt sich ein anderes Szenarium ab: Was passiert, wenn Larry erfährt, was sie getan hat? Schließlich ist er zweiundzwanzig und damit schon lange volljährig. Wenn er Cheerleaderinnen oder Bernhardinerhunde oder alternde Vamps wie Zenia bumsen will, hat sie das eigentlich überhaupt nichts anzugehen. Sie stellt sich seinen geduldigen, vor genervter Verachtung triefenden Blick vor und windet sich innerlich.
Klopf, klopf klopf, macht sie an Zenias Tür. Allein die Tatsache, daß sie ein Geräusch macht, gibt ihr neue Kraft. Mach auf du Schwein, du Sau, laß mich rein!
Und klicketi-klack, schon kommt jemand. Die Tür wird einen Spalt weit geöffnet. Die Kette ist vorgelegt. »Wer ist da?« sagt Zenias rauchige Stimme.
»Ich bin’s«, sagt Roz. »Roz. Du solltest mich lieber reinlassen, denn wenn du es nicht tust, bleibe ich hier stehen und schrei das ganze Haus zusammen.«
Zenia öffnet die Tür. Sie ist zum Ausgehen angezogen. Sie trägt dasselbe tief ausgeschnittene Kleid, das sie auch im Toxique anhatte. Ihr Gesicht ist zurechtgemacht, ihre Haare sind offen und wellen und locken und kringeln sich in unruhigen Ranken um ihren Kopf. Auf dem Bett liegt ein geöffneter Koffer.
»Ein Koffer?« sagt Tony. »Ich hab keine Koffer gesehen.«
»Ich auch nicht«, sagt Charis. »War das Zimmer aufgeräumt?«
»Einigermaßen«, sagt Roz. »Aber das war später am Nachmittag. Nachdem du da warst, Charis. Wahrscheinlich war das Zimmermädchen in der Zwischenzeit gekommen.«
»Was war in dem Koffer?« will Tony wissen. »Hat sie gepackt? Vielleicht will sie abreisen.«
»Er war leer«, sagt Roz. »Ich hab reingeguckt.«
»Roz!« sagt Zenia. »Was für eine Überraschung! Komm rein – du siehst großartig aus!«
Roz weiß genau, daß sie nicht großartig aussieht. Außerdem ist du siehst großartig aus genau das, was man zu Frauen ihres Alters sagt, solange sie noch nicht hundertprozentig tot sind. Zenia dagegen sieht wirklich großartig aus. Wird sie denn nie älter? denkt Roz verbittert. Was für eine Sorte Blut trinkt sie? Nur eine einzige Falte, nur eine ganz kleine, Gott, wär das so schwer? Sag es mir noch einmal – wieso geht es den Bösen immer so gut?
Roz schleicht nicht lange um den heißen Brei herum. »Was denkst du dir eigentlich dabei, ein Ding mit Larry anzufangen«, sagt sie. »Hast du denn überhaupt keine Skrupel ?«
Zenia sieht sie an. »Ein Ding mit Larry? Was für eine köstliche Idee. Hat er dir das erzählt?«
»Er ist gesehen worden, wie er in dein Zimmer ging. Mehr als einmal«, sagt Roz.
Zenia lächelt sanft. »Gesehen? Sag nicht, daß du mich schon wieder von dieser Ungarin beschatten läßt. Roz, warum setzt du dich nicht? Kann ich dir einen Drink oder sonstwas anbieten? Ich hatte nie etwas gegen dich persönlich.« Sie setzt sich gesittet auf das geblümte Sofa, als wäre überhaupt nichts; als wären sie zwei ehrbare Matronen, die sich zum Nachmittagstee treffen. »Glaub mir, Roz, meine Gefühle für Larry sind rein mütterlicher Natur.«
»Was meinst du mit mütterlich?« sagt Roz. Sie kommt sich im Stehen albern vor, also setzt sie sich in den zum Sofa passenden Sessel. Zenia sucht nach ihren Zigaretten, findet das Päckchen, schüttelt es: leer. »Nimm eine von meinen«, sagt Roz widerwillig.
»Danke«, sagt Zenia. »Ich bin ihm zufällig begegnet, im Toxique. Er konnte sich noch an mich erinnern – kein Wunder, er war damals, was? Fünfzehn? Er wollte mit mir über seinen Vater sprechen. Es war richtig rührend. Du warst, was das Thema angeht, nicht sehr mitteilsam, nicht wahr, Roz? Ein Junge muß was über seinen Vater wissen, was Gutes. Findest du nicht?«
»Und was genau hast du ihm erzählt?« sagt Roz mißtrauisch.
»Nur das Beste«, sagt Zenia und senkt bescheiden den Blick. »Ich find, manchmal ist es für alle Beteiligten das beste, die Wahrheit ein kleines bißchen zu beschönigen, findest du nicht auch? Schließlich kostet es mich nichts, und der arme Larry scheint sich einen Vater zu wünschen, zu dem er aufsehen kann.«
Roz traut
Weitere Kostenlose Bücher