Die Räuberbraut
hat Blut an den Händen. Sie ist unrein.
Sie fahren in Roz’ Auto, dem kleineren. Es gibt eine kleine Verzögerung, während Roz versucht, jemanden zu finden, der den Wagen für sie parkt; wie Roz sich bei dem Mann beklagt, der endlich zur Verfügung gestellt wird, ist das Arnold Garden, was den Service angeht, nicht gerade Weltklasse. Dann betreten sie die Halle. Charis hat sich ein bißchen beruhigt, und Tony hat eine beruhigende Hand auf ihren Arm gelegt.
»Sie ist im Springbrunnen«, flüstert Charis.
»Pst«, sagt Tony. »Wir werden es in einer Minute wissen. Überlaß Roz das Reden.«
»Ich war heut nachmittag hier, um mir Ihr Haus als möglichen Veranstaltungsort für eine Konferenz anzusehen, und dabei habe ich anscheinend meine Handschuhe verloren«, sagt Roz. Sie ist zu dem Schluß gekommen, daß es ein Fehler wäre, in Zenias Zimmer anzurufen, nur für den abwegigen Fall, daß Charis recht haben sollte. Nicht, daß Roz auch nur einen Augenblick daran glaubt, aber trotzdem. Und wenn niemand antwortete, was würde das beweisen? Nicht das geringste, was den Tod angeht. Zenia könnte einfach abgereist sein.
»Mit wem haben Sie gesprochen?« sagt die Frau an der Rezeption.
»Oh, ich hab mich nur umgesehen«, sagt Roz. »Ich glaub, ich hab sie draußen im Hof vergessen. Auf dem Rand des Springbrunnens.«
»Die Tür ist um diese Jahreszeit immer abgeschlossen«, sagt die Frau.
»Heute nachmittag war sie es nicht«, sagt Roz kriegerisch. »Also hab ich mich ein wenig umgesehen. Es ist ein hübscher Hof für Cocktails, mit dem Springbrunnen und allem, hab ich mir gedacht. Das Ganze wär erst im Juni. Hier ist meine Karte.«
Die Karte hat eine hilfreiche Wirkung. »Einen Moment, Mrs. Andrews. Ich werde die Tür sofort für Sie öffnen lassen«, sagt die Frau. »Übrigens benutzen wir den Hof oft für Cocktails. Wir könnten draußen auch ein kaltes Büfett für Sie aufbauen lassen; im Sommer stehen immer Tische draußen.« Sie macht dem Portier ein Zeichen.
»Könnten Sie bitte das Licht einschalten lassen?« sagt Roz. »Vielleicht hab ich die Handschuhe auch in den Brunnen fallen lassen. Oder der Wind könnte sie hineingeweht haben.«
Roz möchte, daß der Hof so hell erstrahlt wie ein Weihnachtsbaum, damit Charis klipp und klar sehen kann, daß Zenia nirgends herumliegt. Die drei treten durch die Glastür, bleiben nebeneinander stehen und warten auf die Beleuchtung. »Es ist gut, Süße, da ist nichts«, flüstert Roz Charis zu.
Aber als das Licht angeht, starke Scheinwerfer von oben und auch unter Wasser, ist Zenia da. Sie treibt mit dem Gesicht nach unten zwischen den toten Blättern, die Haare ausgebreitet wie Seetang.
»Mein Gott«, flüstert Tony. Roz erstickt einen Schrei. Charis gibt keinen Ton von sich. Die Zeit hat sich über sich selbst gefaltet, die Prophezeiung ist wahr geworden. Aber es sind keine Hunde da. Dann versteht sie. Wir sind die Hunde, die ihr Blut auflecken. Im Hof, das Blut von Isebel. Sie glaubt, sich übergeben zu müssen.
»Faß sie nicht an«, sagt Tony, aber Charis kann nicht anders. Sie beugt sich vor, streckt die Hand aus und zupft, und Zenia dreht sich langsam um sich selbst und starrt sie mit ihren weißen Meerjungfrauen-Augen an.
55
Das heißt, sie starrt nicht wirklich, weil sie das nicht kann. Ihre Augen sind nach hinten verdreht; deshalb sind sie so weiß wie die eines Fisches. Sie ist seit mehreren Stunden tot, wenigstens sagt das die Polizei, als sie kommt.
Die Leute vom Hotel sind sehr besorgt. Eine tote Frau in ihrem Springbrunnen ist nicht die Art von Publicity, die sie brauchen, vor allem, da die Geschäfte sowieso nicht sonderlich gutgehen. Sie scheinen zu denken, daß alles Roz’ Schuld ist, weil sie darauf bestanden hat, daß das Licht angeschaltet wird, als wäre das der Grund gewesen, der Zenia dazu veranlaßte, im Springbrunnen herumzuliegen. Aber, wie Roz der Empfangsdame sagt, wäre Tageslicht noch schlimmer gewesen: Hotelgäste hätten in ihrem Zimmer gefrühstückt, wären auf den Balkon getreten, um frische Luft zu schnappen und eine Zigarette zu rauchen, hätten hinuntergeblickt, und können Sie sich vorstellen, was dann losgewesen wäre?
Weil sie diejenigen waren, die die Leiche gefunden haben, müssen Tony und Roz und Charis dableiben. Sie müssen Fragen beantworten. Roz reißt die Gespräche an sich und bringt in aller Hast ihre Geschichte mit den Handschuhen ins Spiel; es wäre ganz und gar nicht klug, der Polizei zu erzählen,
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