Die Räuberbraut
bedeutet, daß Roz nichts daran ändern kann, obwohl das Ganze einer mottenzerfressenen Flickendecke ähnelt und ihr eigentlicher Gärtner, ein eleganter japanischer Minimalist, es als einen Affront gegen seine Berufsehre betrachtet. Aber vielleicht werden die Zwillinge es so zertrampeln, daß es wirklich nicht mehr zu retten ist, Roz wird die Daumen drücken. Sie wirft einen Blick auf ihre Uhr: die beiden sind spät dran, aber nicht sehr spät. In dieser Hinsicht sind sie ihr nachgeschlagen: sie hatte auch schon immer ein flexibles Gefühl für Zeit.
Roz trinkt den Rest ihres Kaffees, drückt die Zigarette aus und geht nun ihrerseits die Treppe hinauf und durch den Flur, um zu duschen. Unterwegs kann sie es sich nicht verkneifen, einen Blick in die Zimmer der Zwillinge zu werfen, obwohl sie weiß, daß sie verbotenes Territorium sind. Erins Zimmer sieht aus wie eine Kleiderexplosion, Paula hat schon wieder das Licht angelassen. Da machen sie ständig ein riesiges Theater wegen der Umwelt, nörgeln wegen ihrer giftigen Waschmittel an ihr herum, zwingen sie, Recyclingpapier zu kaufen, aber sie scheinen nicht dazu in der Lage zu sein, ihr verflixtes Licht auszumachen.
Sie knipst den Schalter aus, obwohl sie weiß, daß sie sich damit selbst verrät (Mom, wer ist in meinem Zimmer gewesen? Ich kann jederzeit in dein Zimmer gehen, Süße, ich bin deine Mutter/ Du respektierst meine Privatsphäre nicht, und außerdem, Mom, hör auf, so ein Eierkopf zu sein und sag nicht immer Süße zu mir! Ich hab das Recht dazu / Wer bezahlt denn die Stromrechnungen in diesem Haus? und so weiter und so fort), und geht den Flur entlang.
Larrys Zimmer liegt ganz am Ende, hinter ihrem eigenen Zimmer. Vielleicht sollte sie ihn wecken. Aber wenn er das gewollt hätte, hätte er ihr einen Zettel hingelegt. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Manchmal erwartet er von ihr, daß sie seine Gedanken liest. Und wieso sollte er das nicht erwarten können? Früher konnte sie es. Aber jetzt nicht mehr. Bei den Zwillingen würde sie wissen, wenn etwas nicht in Ordnung wäre, auch wenn sie nicht unbedingt wüßte, um was es sich handelt. Aber nicht bei Larry. Larry ist für sie undurchsichtig geworden. Wie geht’s denn so? fragt sie ihn, und er sagt Bestens, was alles bedeuten könnte. Sie weiß nicht einmal mehr, was es ist, was angeblich so bestens geht.
Er war schon immer ein eigensinniger Junge. In dem ganzen Durcheinander wegen Mitch, als die Zwillinge sich so schrecklich aufführten und im Supermarkt klauten und die Schule schwänzten, stapfte er getreulich weiter. Er sorgte für Roz, auf eine pflichtgetreue Art. Er brachte den Müll raus, er wusch das Auto, ihr Auto, jeden Samstag, wie ein Mann in mittleren Jahren. Das brauchst du nicht, sagte sie zu ihm. Schon mal was von Waschanlagen gehört? Es macht mir Spaß, sagte er, es entspannt mich.
Er machte seinen Führerschein, er machte seinen High-School-Abschluß, er machte seinen Universitätsabschluß. Er legte sich eine kleine Sorgenfalte zwischen den Augen zu. Er tat, was seiner Meinung nach von ihm erwartet wurde und brachte ihr seine offiziellen Papierstücke nach Hause, wie eine Katze tote Mäuse bringt. Jetzt ist es, als hätte er aufgegeben, weil er nicht mehr weiß, was er ihr sonst noch bringen könnte; als seien ihm die Ideen ausgegangen. Er sagt, er will sich darüber klarwerden, was er als nächstes tun soll, aber sie sieht keine Anzeichen dafür, daß irgendwelche Entscheidungen getroffen werden. Er bleibt die ganze Nacht über weg, und sie weiß nicht, wohin er geht. Wenn es sich um die Zwillinge handelte, würde sie fragen, und sie würden sagen, daß sie sich um ihren eigenen Krempel kümmern soll. Bei ihm fragt sie nicht einmal. Sie hat Angst, weil er es ihr sagen könnte. Er ist noch nie ein guter Lügner gewesen. Ein ernster Junge, zu ernst vielleicht. Er hat etwas Freudloses an sich, das ihr Sorgen macht. Es tut ihr leid, daß er das Schlagzeug aufgegeben hat, auf dem er früher immer übte, unten im Keller, obwohl es sie damals schier wahnsinnig gemacht hat. Immerhin hatte er damals etwas, auf das er einschlagen konnte.
Er schläft lange. Er verlangt kein Geld von ihr; das hat er nicht nötig, weil er selbst welches hat, es wurde ihm hinterlassen, es gehört ihm. Er könnte es sich leisten, auszuziehen und sich eine eigene Wohnung zu nehmen, aber er macht keine Anstalten. Er zeigt so wenig Initiative; als sie in seinem Alter war, konnte sie es kaum erwarten,
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