Die Räuberbraut
ganz so knauserig sein sollte, vor allem nicht beim Frühstück. Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages, und es heißt immer, daß man in ihrem Alter den Körper auf Kosten des Gesichts strafft. Man verliert die Pfunde zwar an den Hüften, aber zuallererst am Hals, der dann wie ein Hühnerhals aussieht. Roz hat nicht die Absicht, sich in eins dieser fünfzigjährigen Skelette zu verwandeln, die immer noch Größe achtunddreißig tragen, dafür aber Gesichter haben, die wie ein Haufen Alteisen aussehen, mit überall vorspringenden Knochen und Sehnen. Genau das wäre aus Zenia geworden, wenn sie am Leben geblieben wäre.
Roz lächelt und schiebt zwei Scheiben Weizenvollkornbrot in den Toaster. Sie findet es hilfreich, sich Zenia so vorzustellen; hilfreich und tröstlich. Und wem kann es schließlich jetzt noch schaden?
Und wem hat es damals geschadet ? fragt sie sich verbittert. Zenia jedenfalls nicht, die sich einen Dreck darum scherte, was Roz über sie dachte. Oder über sie sagte, selbst zu Mitch. Es gab jedoch ein paar Dinge, bei denen sie klug genug war, sie für sich zu behalten. Merkst du denn nicht, daß diese Titten nicht echt sind? Sie hat sie sich machen lassen, das weiß ich ganz genau, früher hatte sie 75 A. Du bist in zwei Silikontüten verliebt. Nein, das wäre bei Mitch gar nicht gut angekommen. Nicht in seiner vernarrten Phase. Und nach seiner vernarrten Phase war es zu spät.
Die Dinger verbrennen nicht einmal, wenn man eingeäschert wird; so jedenfalls lautet das Gerücht, das über künstliche Titten im Umlauf ist. Sie schmelzen einfach. Der Rest verwandelt sich in Asche, aber die Titten werden zu einer glitschigen Masse, die man vom Boden der Verbrennungsanlage abkratzen muß. Vielleicht war das der Grund dafür, daß Zenias Asche nach der Trauerfeier nicht verstreut wurde. Weil es nicht ging. Vielleicht war es das, was in der versiegelten Blechbüchse lag. Geschmolzene Titten.
Roz bestreicht ihre beiden Toastscheiben mit Butter und Honig, ißt sie langsam und genüßlich und leckt sich anschließend die Finger ab. Wenn Zenia noch am Leben wäre, würde sie garantiert Diät halten; eine Taille, wie Zenia sie hatte, war nicht ohne harte Arbeit zu haben. Folglich hätte sie inzwischen auch einen Hühnerhals. Oder sie würde sich operieren lassen, nicht zum ersten Mal. Ein kleiner Schnitt hier, ein kleiner Eingriff da, die Lider ein bißchen gestrafft, die Lippen ein bißchen aufgepolstert. Nichts für Roz, sie könnte es nicht ertragen, daß jemand, ein fremder Mann, sich mit einem Messer über sie beugt, während sie vollkommen narkotisiert im Bett liegt. Dafür hat sie zu viele Thriller gelesen, zu viele Reißer, die von Sexualmorden handeln. Er könnte ein geistesgestörter Irrer in einem geklauten Arztkittel sein. So was kommt vor. Oder was, wenn die im Krankenhaus einen Fehler machen, und man wacht von oben bis unten bandagiert auf und verbringt die nächsten sechs Wochen damit, wie ein überfahrener Waschbär auszusehen, den man von der Straße abgekratzt hat, nur um hinterher als Statist aus einem vermurksten Horrorfilm zum Vorschein zu kommen? Nein, da zieht sie es vor, still und leise zu altern. Wie guter Rotwein.
Sie macht sich noch einen Toast, dieses Mal mit Erdbeer-Rhabarber-Marmelade. Warum das Fleisch strafen? Warum dem Körper Entbehrungen auferlegen? Warum seinen Zorn auf sich ziehen, seine obskuren Racheakte, seine Kopfschmerzen und Hungerqualen und sein protestierendes Knurren? Sie ißt den Toast, von dem die Marmelade heruntertropft; und dann, nachdem sie sich umgesehen hat, um sich zu vergewissern, daß niemand sie beobachtet – aber wer sollte das tun? –, leckt sie den Teller ab. Jetzt fühlt sie sich besser. Es ist Zeit für ihre Zigarette, ihre Morgenbelohnung. Belohnung für was? Frag nicht.
Die Zwillinge fluten die Treppe herunter, mehr oder weniger in ihren Schuluniformen, jener Aufmachung, die Roz nie so recht verstanden hat, den Kilts und Krawatten, die sie in schottische Männer verwandeln sollen. Die Hemdzipfel bis zur unausweichlich letzten Minute heraushängen zu lassen, scheint zur Zeit das Größte zu sein, nimmt sie an. Die beiden küssen sie auf die Wange, dicke, nasse, übertriebene Küsse, und galoppieren durch die Hintertür, und dann ziehen ihre beiden glänzenden Köpfe am Küchenfenster vorbei.
Wahrscheinlich trampeln sie über das Blumenbeet, das anzulegen Charis sich letztes Jahr nicht nehmen lassen wollte, ein Liebesdienst, was
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