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Die Räuberbraut

Die Räuberbraut

Titel: Die Räuberbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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diese Bravour sind ja schön und gut, aber als Roz zu ihrem Auto zurückkommt, hat jemand eine kleine Mitteilung in den Lack ihrer Fahrertür gekratzt. Reiche Kuh. Eine säuberlich geschriebene Mitteilung, relativ höflich – in den Staaten hätte es Fotze geheißen –, und normalerweise hätte Roz nur überlegt, wieviel es kosten würde, die Tür in Ordnung bringen zu lassen, und wie lange es dauern wird, und ob sie die Kosten von der Steuer absetzen kann oder nicht. Außerdem hätte sie ihren Ärger dadurch abreagiert, daß sie dem Parkwächter eine Szene gemacht hätte. Wer war das? Was soll das heißen , Sie wissen es nicht? Was haben Sie denn die ganze Zeit gemacht? Geschlafen? Verflixt noch mal , wofür werden Sie eigentlich bezahlt?
    Aber heute ist sie nicht in der Stimmung. Sie schließt die Tür auf, überprüft den Rücksitz, um sich zu vergewissern, daß niemand sich dort versteckt hat – sie hat all diese Sexualmordkrimis schließlich nicht umsonst gelesen steigt ein, verriegelt die Tür und heult ein bißchen, in ihrer üblichen Haltung, die Stirn auf dem Lenkrad, ihr neues Leinentaschentuch griffbereit. (Die Zwillinge haben Papiertaschentücher auf die Schwarze Liste gesetzt. Sie kennen in dieser Hinsicht kein Pardon, es ist ihnen völlig egal, daß Maria jetzt noch mehr bügeln muß. Wenn es so weitergeht, wird Roz in absehbarer Zeit nicht einmal mehr Toilettenpapier benutzen dürfen, sie werden sie zwingen, alte T-Shirts oder sonstwas zu nehmen.)
    Ihre Tränen sind keine Tränen der Trauer, auch nicht der Verzweiflung. Es sind Tränen der Wut. Roz kennt ihren Geschmack nur allzu gut. Aber in ihrem Alter ist Wut nur um der Wut willen immer weniger lohnenswert, weil nämlich jedesmal, wenn man mit den Zähnen knirscht, ein paar von ihnen abbrechen könnten. Also tupft sie sich das Gesicht ab, wozu sie zum Schluß ihren Ärmel nehmen muß, weil ihr Taschentuch völlig durchgeweicht ist, zieht sich die Lippen nach ( Rubikon, ich komme), bessert ihre Wimperntusche aus und läßt den Motor aufheulen, daß der Kies nur so spritzt. Halb hofft sie, daß sie auf dem Weg zur Ausfahrt einen Kotflügel streifen und einen Teil ihrer Wut weitergeben kann – Huch! Das tut mir aber leid 1 . Es wäre ein Ersatz, ein Ersatz dafür, Zenia zu erwürgen. Aber es gibt kein Auto, das in günstiger Position steht, und außerdem guckt der Parkwächter. Na schön, es ist der Gedanke, der zählt.
     
    Roz geht hinauf in ihr Büro – Hi Nicki, hi Suzy. Wie geht’s, Boyce, liegt etwas Wichtiges vor, ist noch Kaffee da, keine Anrufe bitte, sagen Sie , ich bin in einer Besprechung – und macht die Tür hinter sich zu. Sie läßt sich in ihren Ledersessel fallen und steckt sich eine an und durchforstet das Kästchen mit den Büroklammern nach etwas Süßem, nach einer dieser runden Wiener Pralinen mit einem Porträt von Mozart drauf, Mozarteier sagen die Kids dazu, und kaut und schluckt und trommelt mit den Fingern auf ihrem nicht mehr befriedigenden Schreibtisch herum. Mitch starrt sie an, es geht ihr auf die Nerven, also steht sie auf und dreht das Foto um, wendet seinen Blick ab. Was jetzt kommt, wird dir nicht gefallen, sagt sie zu ihm. Das letzte Mal hat es ihm auch nicht gefallen. Als er erfuhr, was sie getan hatte.
    Sie zieht die Schublade mit der Hängeregistratur auf, entnimmt ihr die Akte Z, die mit dem Hochglanzfoto, und blättert ein paar Seiten um. Da liegt es vor ihr, das Skelett der Leiche im Keller: Tage, Stunden, Orte. Es tut immer noch weh.
    Wieso eigentlich nicht dieselbe Detektivin nehmen wie letztes Mal, sie müßte weniger Erklärungen abgeben, und außerdem war sie supergut, Harriet, Harriet Irgendwas, was Ungarisches, aber sie hatte sich eine englische Version ihres Namens zugelegt – Harriet Bridges. Sagte immer, sie sei deshalb Privatdetektivin geworden, weil man als ungarische Frau, die mit ungarischen Männern zu tun hatte, sowieso eine sein mußte. Roz findet die Nummer, hebt den Hörer ab. Sie muß einen Wachhund passieren, bevor sie zu Harriet durchkommt – Harriet scheint sich um einiges besser zu stehen, wenn sie sich eine Sekretärin leisten kann, aber vielleicht ist es auch eine dieser Bürogemeinschaften, die sich das Personal teilen – aber Roz läßt nicht locker, und schließlich ist Harriet doch nicht mehr in einer Besprechung, sondern in der Leitung.
    »Hi, Harriet, hier ist Roz Andrews. Ja, ich weiß, es ist Jahre her. Hören Sie, ich möchte, daß Sie etwas für mich tun. Um genau

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