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Die Raffkes

Die Raffkes

Titel: Die Raffkes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndorf Jacques
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stand mitten in der Nacht bei Regen ein mächtiger Bagger hinter einer Kurve. Für mich sah es aus wie eine Hinrichtung. Aber es war falsch von mir, mit Peter dorthin zu fahren.«
Er legte den Koffer auf ein Bett. »Ein Mitarbeiter meiner Tante hat die Sachen zusammengesucht. Ich hoffe, es ist alles da, was du brauchst.«
Sie kramte in dem Koffer herum und lachte: »Sogar Tampons. Der unbekannte Helfer ist aber sehr umsichtig.« Dann, als sei es ungemein wichtig, die unbequemen Dinge sofort zu erledigen: »Hast du etwas gehört von Kehrigk?«
»Nein. Vermutlich werden sie einfach weitermachen. Die Reißzähne der Aktenschlucker müssen ja weiterlaufen.«
Marion begann ihre Sachen in einen Schrank zu räumen und andere in das Badezimmer zu tragen. »Unten steht Bier. Die Nachbarin war einkaufen und hat uns was mitgebracht. Nur bezahlen konnte ich sie nicht.«
»Dich bedrückt etwas, nicht wahr?«
»Ja«, nickte sie und hielt eine Bluse gegen das Fenster. »Mir ist klar geworden, dass mich die Sache noch jahrelang verfolgen wird. Sobald mich der Erste als Zeugin benannt hat, werden zehn andere folgen, und ich werde damit beschäftigt sein, von Gericht zu Gericht zu fahren. Das wird wie eine Achterbahn und du kannst nicht aussteigen.«
»Wir finden einen Weg«, versuchte er sie zu trösten.
»Hast du einen Weg für dich gefunden?«
»Nein.«
»Siehst du«, murmelte sie. »Die Schatten werde ich nicht mehr loswerden. Jeder Piesepampel wird sagen: Habe ich Ihnen damals nicht die Akte gegeben, Frau Westernhage? Wieso ist die verschwunden, Frau Westernhage?«
»Aber du warst keine Entscheidungsträgerin«, wandte er ein.
»War ich nicht?«, fragte sie zornig und schmiss die Bluse auf das Bett. »Und was bin ich, wenn man mir zwei Millionen Euro in einen Aktenkoffer packt und ich das kleine Geschenk einem Rechtsanwalt in Brüssel übergeben muss? Und was bin ich, wenn ich dafür sorge, dass es Meier und Meier privat gut geht?«
»Moment mal, was hast du getan?«
Marion atmete tief durch. »Um Blandin ein bisschen zu entlasten, hat es das Büro Dreher übernommen, bestimmte Kunden zu pflegen, Meier und Meier gehörten dazu. Ich habe lange darüber nachgedacht, wie man diesen geplagten Kreditnehmern zu etwas mehr Lebensfreude verhelfen kann. Und ich erfand einen Makler auf den britischen Kanalinseln, der den beiden die Plattenbauwohnungen vermittelte. Dadurch machten sie einen rein privaten Reibach von rund siebzehn Millionen Euro, denn den Immobilienmakler gab es ja gar nicht und sie waren die Einzigen, die an die Provision rankamen. Außerdem war ich Meier und Meier bei der Gründung einer EnergieGmbH behilflich. Denn sie wollten nicht direkt mit der Gesellschaft in Verbindung gebracht werden können. Sie haben dann ihren Mietern den Strom zu einem leicht überhöhten Preis verkauft. Ich will dich nicht mit Zahlen langweilen, aber da kamen locker pro Jahr runde zwanzig Millionen Euro Reingewinn zusammen. Die Masse macht’s. Und alle diese Vorschläge, wie man ein bisschen mehr Privatgeld aus dem Kreditgeld machen kann, habe ich formuliert und mit freundlichen Grüßen versehen. Und die Herren waren dann so nett, mir einen Blumenstrauß zu schicken. Und auf einem meiner Konten waren plötzlich zwanzigtausend Euro mehr. Da freut man sich doch, oder?« Sie ließ den Kopf hängen und weinte.
Mann nickte langsam und sagte leise: »Wir werden das gemeinsam durchstehen. Komm mit zurück nach Berlin. Ich werde Tante Ichen um Asyl bitten.«
ELFTES KAPITEL 
    Sie hatten plötzlich Schwierigkeiten miteinander. Etwas stand zwischen ihnen, die wichtigsten Bemerkungen waren nicht gefallen, die schroffsten Sätze nicht gesagt, die traurigsten Rückschlüsse nicht gezogen. Marion stand mit hängenden Schultern in dem kleinen Schlafzimmer und murmelte: »Vielleicht irre ich mich, vielleicht ist alles falsch. Vielleicht sollte ich nicht aussagen. Ich will weiterleben, in Ruhe. Ich muss doch nicht aussagen, oder?« »Nein, das musst du nicht«, versicherte er. »Du kannst dich darauf berufen, dass eine Aussage dich möglicherweise selbst belasten könnte. Aber du musst dich nicht jetzt entscheiden. Du hast Zeit. Komm, lass uns in die Küche gehen und ein Bier trinken.« »Ja«, nickte sie. »Es ist nicht so, Jochen, dass ich keinen Mut hätte. Aber es ist auch nicht so, dass ich unzerbrechlich bin.« »Ich weiß.« Er nahm sie in den Arm. »Ich liebe dich!«
Sie saßen auf der Eckbank, hielten sich an den Händen und ließen das Bier schal

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