Die Raffkes
Gott, schon wieder ein Trottel, der keine Ahnung hat.
Grischa Koniew trat auf. Er flog wie eine Kanonenkugel durch die Tür, ließ sie hinter sich zuknallen und rief etwas atemlos:
»Ich hoffe, mein Freund, Sie bringen eine frohe Botschaft.«
»Wie soll die aussehen?«, fragte Mann.
»Dreher ist gekidnappt worden, das wissen Sie. Und mich interessiert Ihre Meinung: Wer kann das getan haben? Das Gespräch dient uns beiden. Ich habe eine gute Meldung und Sie haben Ihre Ruhe.«
»Ich habe keine Idee«, sagte er und es klang beinahe mutlos. Er setzte sich auf den benachbarten Stuhl und schrie:
»Ich will einen Wodka!« Hastig schoss eine junge Frau in einem viel zu kleinen schwarzen Kleid durch eine Schwingtür und stellte eine Flasche mit zwei Gläsern auf den Tisch. Sie verschwand ebenso schnell, wie sie hereingekommen war.
Weil Mann ein etwas verdutztes Gesicht machte, begann Koniew kehlig zu lachen.
»Tolle Figur, eh? Und tolles Kleidchen. Fast nichts an Stoff, aber immerhin noch ein paar Zentimeter zu viel. Ja, ja, meine Freunde aus Tschetschenien mögen das, sie kriegen nie genug davon. Vorher übe ich mit den jungen Damen, wie sie sich vorbeugen müssen, weit vorbeugen, um dem Gast alles recht zu machen.«
»Leben diese Leute alle hier in Berlin?«
»Na ja, manchmal ja, manchmal nein. Das kommt darauf an, wo sie gerade Geschäfte machen.« Er fuhr beide Arme wie Geschützrohre nach außen, drehte die Handflächen und erklärte:
»Ja, wer hat Dreher?« Wieder lachte er, explodierte geradezu in einem ungezügelten heiteren Gebrüll.
»Also ich, ich möchte den Kerl nicht haben. Ich möchte nicht mal neben dem im Pissoir stehen.« Er macht es mir einfach, dachte Mann erleichtert. Er weiß, auf was ich aus bin.
»Grischa Koniew, Sie kennen die Szene, Sie kennen sie gut. Deshalb frage ich Sie, ob Sie Leute kennen, denen so eine Aktion zuzutrauen wäre?«
Koniew nahm seine Ellenbogen vom Tisch und goss Wodka in beide Gläser. Eines reichte er Mann, dann sagte er:
»Zum Wohle!«
Sie tranken und der Russe überlegte ein paar Sekunden. Dann schüttelte er den Kopf.
»Nein, ich kenne keine solchen Leute. Aber – nehmen wir an, junger Freund, es wäre anders. Dann können Sie davon ausgehen, dass ich … na ja, Sie wissen schon.«
»Ich weiß nichts«, sagte Mann leicht empört.
»Ich würde mit den Leuten reden. Ich weiß, wie man das macht. Und ich würde ihnen Dreher abkaufen. Verstehen Sie?«
»Abkaufen«, wiederholte Mann hohl.
»Sicher.« Er gestikulierte wieder wild mit seinen Händen.
»Diese Leute wollen Geld. Deshalb haben sie das schließlich gemacht, nicht wahr?«
»So kommen wir nicht weiter«, stellte Mann fest.
»Heißt das, dass Sie mir nicht glauben?«
»O nein, das ist es nicht. Ich dachte, Sie würden mir helfen. Und helfen heißt in diesem Fall: Wir überlegen gemeinsam. Aber Sie überlegen nicht, Sie machen sich über mich lustig.«
»Ich werde immer fröhlich, wenn die Lage beschissen ist«, murmelte der Russe todernst.
»Was bleibt mir anderes übrig? Sehen Sie, in dieser Stadt treffen jeden Tag Leute ein, die hier ihr Glück machen wollen. Viele von ihnen stammen aus osteuropäischen Ländern und sie glauben zunächst, sie seien hier im Himmelreich. Bis sie das erste Mal keine Miete mehr zahlen können oder nichts mehr zu essen haben. Wer soll diese Leute kontrollieren? Ich, Väterchen Koniew? Unmöglich. Niemand kann sie kontrollieren. Und jetzt überlegen wir weiter, wir lachen nicht, wir stellen uns vor, dass zum Beispiel ein Rudel hungriger junger Männer in die Stadt kommt. Und sie hören: Dieser Dreher ist wichtig, er ist mächtig! Also sagen sie sich, haben wir Dreher, haben wir Geld. Diese Leute denken einfach, verstehen Sie?«
»Ich denke auch einfach«, sagte Mann.
»Wie sollen solche Leute an Dreher herankommen können?«
»Das ist doch nun wirklich kein Problem«, antwortete Koniew ruhig.
»Die Leute in Grunewald reden eine Menge. Sie sagen: Dreher von der Bankgesellschaft? Ja, der wohnt hier. Gleich um die Ecke, Hausnummer zehn. Und einer von den Hungrigen hört das. So einfach geht es zu auf dieser Welt, mein Freund. Dabei finde ich die Sache wirklich nicht lustig. Es wundert mich, dass noch kein leitender Staatsanwalt hier erschienen ist, der von mir wissen will, wo ich Dreher habe.«
»Lieber Gott, Sie können mir doch nicht erzählen, dass Sie keine Leute kennen, die in der Lage sind, sich so etwas einfallen zu lassen?!«
»Leute, denen so etwas einfällt, kenne ich
Weitere Kostenlose Bücher