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Die Raffkes

Die Raffkes

Titel: Die Raffkes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndorf Jacques
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nicht älter. Wahrscheinlich weiß er das selbst nicht so genau. Er ist ein Kaukasier, falls dir klar ist, was das bedeutet.«

»Nein.«

»Viele Völker, viele Sprachen, viele Stämme, viele Interessen, viele Morde, viele Fehden. Der Kaukasus ist eine Gegend, in der das Beste, was man über einen Mann sagen kann, in dem Satz gipfelt: Er ist ein Jäger und er hat Ehre. Das Erste, was Väterchen Marko schenkte, als er hier ankam, war ein Jagdgewehr. Denn ein Mann wie Marko braucht eine Waffe, um komplett zu sein. Kannst du das verstehen?«

»Eher weniger«, grinste Mann.
»Aber natürlich verstehe ich es. Und, ist das wahr, er züchtet Orchideen?«

»Ja, irgendwas muss er ja tun. Zwei Gewächshäuser hat er sich gebaut. Na ja, du wirst es sehen.« Damitzow war ein kleines Dorf, es lag dunkel und still. Peter kannte den Weg. Markos Haus sah Schürmanns Grab sehr ähnlich – klein, geduckt, wahrscheinlich ein Bau aus den späten Fünfzigern. Im Hintergrund standen die Gewächshäuser, in denen ein grünlich blauer Lichtschein waberte, als wollte er an die Möglichkeit von Außerirdischen mahnen. Im Parterre des Wohnhauses brannte ein gelbes Licht hinter einem kleinen Fenster.
»Wie viele solcher Außenposten hat Koniew eigentlich?«

»Mindestens fünfzehn.«

»Und er ernährt sie alle?«

»Wenn es notwendig ist, ja.«

»Was bringen diese Leute an Gegenleistung?«

»Ich glaube, in der Regel nichts. Aber es geht auch nicht um Leistung und Gegenleistung. Koniews Geschichte ist die Geschichte dieser Leute. Und dann kann es eben vorkommen, dass so ein Marko Auskunft geben kann. Ich glaube, das ist schwer erklärbar.«

»Ich habe es schon verstanden. Also, denn ran an das Gemüse.«
Die Haustür stand plötzlich offen, ein mildes Licht umstrahlte einen kleinen Mann mit schulterlangem weißem schütterem Haar, in Hemd und Hosen, die ihm viele Nummern zu groß waren. Er lachte und enthüllte ein Gebiss, das vor allem aus Lücken bestand, der Rest war rabenschwarzes brüchiges Gestein. Markos Augen versanken lichtblau in rührseligen Tränen, und als er Peter umarmte, erinnerte er an ein Klammeräffchen.
Peter zog ein Kuvert aus dem Jackett und sagte herzlich:
»Grüße von Väterchen Koniew an Väterchen Marko.«
Das Affchen klammerte sich zum zweiten Mal an ihn.

»Und das ist Jochen.«
Mann hatte noch niemals ein so altes, von Falten bestimmtes Gesicht gesehen. Auch er wurde irgendwo in der Gegend des Bauches herzlich umarmt, dabei sagte Marko mit unerwartet hoher Stimme etwas auf Russisch.

»Er heißt dich willkommen!«, übersetzte Peter.
»Aber Deutsch kann er auch.«

»Jo!«, sagte Marko und ging mit kleinen Altmännerschritten vor ihnen her.
»Ihr könnt euch dorthin setzen«, zeigte er und verschwand.

»Er öffnet die Post«, flüsterte Peter.
»Dann wird er ein bisschen weinen und dann wiederkommen.«
In dem Raum, in dem sie auf einfachen Küchenstühlen saßen, herrschte ein unbeschreibliches Durcheinander. Auf dem Tisch lagen die unwahrscheinlichsten Gerätschaften. Batterien für Taschenlampen neben schmutzigen Tellern, ein Paket Nägel, Schraubenzieher, Kaffeebecher, die Moskauer Ausgabe der Prawda , eine Ausgabe der Epoca , ein Hammer, Untertassen mit irgendeiner undefinierbaren Schmiere, ein illustriertes Werk über Orchideen in Europa, eine Schachtel ASS , ein Päckchen russische Zigaretten, eine Packung Kondome, gefühlsecht, und eine Ikone der Schwarzen Muttergottes, die ein unbekanntes Schicksal in der Mitte durchgebrochen hatte.

»Wozu denn Kondome?«, fragte Mann leise.

»Für die Jungfrauen des Dorfes nehme ich an.«
»Du willst mich verarschen!«

»Absolut nicht. Einmal alle zwei Monate, aber dann richtig.«
Sie mussten beide heftig lachen und hatten Mühe, wieder ernst zu werden, als Marko zurückgetrippelt kam und mitteilte:
»Ich bin jetzt reich, Jungs. Wie wäre ein Wodka?«

»Der wäre gut«, sagte Peter.
»Was machen deine Blumen?«

»Was sollen sie machen? Sie blühen.« Marko atmete schnüffelnd vor sich hin und suchte dabei etwas. Er entdeckte eine Flasche und klaubte aus den entferntesten Winkeln seines chaotischen Universums schmutzige Gläser zusammen.
»Wieso kommt ihr mitten in der Nacht?« Er ging an einen Spülstein, ließ Wasser in die Gläser laufen, wischte sie mit dem Daumen sauber und knallte sie auf den Tisch. Nachdem er sie mit Wodka gefüllt hatte, hob er sein Glas und sagte merkwürdigerweise:
»Schalom!« Mit einem langen Zug trank er sein Glas leer und goss

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