Die Raffkes
Jugendstaatsanwaltschaft rein. Ziemlich bald lernte ich meinen heutigen Chef Kolthoff kennen und ich sagte ihm, diesen Job würde ich für mein Leben gern machen. Arbeit mit denen, die wir manchmal nicht mehr retten können. Ich mache das gern.«
»Was ist mit deinen Eltern?«
Ja, was war mit seinen Eltern? Wieso fragte Ziemann das? Warum sollte er das nicht fragen?
»Mein Vater säuft, meine Mutter ist abgetaucht. Sie lebt in Kreuzberg und hat einen Gemüsestand, behauptet Tante Maria. Sie war der ganzen Sache nicht gewachsen.«
»Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?«
»Meine Mutter? Lieber Himmel, ich bin jetzt fast fünfunddreißig. Das muss zehn Jahre her sein. Ich war bei der Jugendstaatsanwaltschaft und sammelte meine ersten Erfahrungen.« Mann zündete sich eine Zigarette an, sie schmeckte nicht, er drückte sie im Aschenbecher aus. »Eines Tages wollte ich sie mal wieder sehen. Damals arbeitete sie in einer Reinigungsannahme. Ich stellte mich auf die gegenüberliegende Straßenseite und beobachtete sie. Aber ich bin nicht zu ihr hingegangen.«
»Deshalb jugendliche Straftäter?«
»Ja, vielleicht deshalb. Ich bin nicht sauer auf meine Mutter. Wäre nur gut gewesen, wenn ich manchmal mit ihr hätte reden können. Mein Vater hat uns beide fertig gemacht.«
»Und Tante Ichen übernahm die Mutterrolle?«
»Na ja, nicht so ganz. Ich lebte bei ihr, ich hatte es gut. Keine wirtschaftlichen Sorgen und so.«
»Was ist mit dieser Katharina?«
»Woher weißt du von Katharina?«, fragte Mann irritiert.
»Na ja, von deinem Chef, von Kolthoff. Wie lange geht das schon?«
»Fast sieben Jahre. Ich nehme an, wir werden irgendwann heiraten und sie wird irgendwann ein Kind kriegen wollen. Sie arbeitet bei einer Versicherung, sie hat es gern geordnet, übersichtlich und nach Plan.«
Ziemann sah ihn erstaunt an, sagte aber nichts. Er zündete sich einen zweiten Zigarillo an, bestellte Kaffee nach und erklärte: »Gleich kommt übrigens ein Mann namens Haferkamp, Dr. Fritz Haferkamp. Der Mann ist Polizeichemiker und Sprengstoffspezialist. Ich habe ihn hierher bestellt, damit er uns schlau macht. Sei lieb zu ihm, er ist total überarbeitet, war auch heute Nacht am Tatort. Ach ja, und noch etwas. Ich habe dich für fünfzehn Uhr bei Frau Sirtel angemeldet. Sie wohnt in Schöneberg, hier ist die Adresse.« Er kramte einen kleinen Zettel hervor und legte ihn vor Mann. »Du kannst ein Taxi nehmen, bring mir die Quittung.«
»Warum ich? Du hast mehr Erfahrung.«
»Das ist richtig. Aber man hat uns zusammengespannt und du wirst auf mich hören, solange dieser Zustand anhält.«
»Und was machst du?«
»Ich gehe mit den Weisheiten des Fritz Haferkamp ins Archiv und sehe nach, was wir haben. Dann werde ich meine Frau besuchen, damit sie sich erinnert, wie ich aussehe.« Ziemann lächelte schmal. »Und jetzt sag mir, was du von dieser Marion Westernhage hältst.«
»Die Frau ist schwer einzuschätzen. Sie ist die Geliebte von Dreher, dem Vorsitzenden der Bankgesellschaft. So lebt sie auch. Ich schätze, dass allein die Wohnungseinrichtung so teuer war wie ein kleines Einfamilienhaus irgendwo draußen. Sie sagt, dass dieser Dreher sie abschirmt, beschützt. Und das klang überhaupt nicht niedlich.«
»Dreher ist ein Oberarschloch. Er kam nach Berlin, als die Bankgesellschaft einen neuen Oberboss brauchte. Doch statt Ordnung in den Laden zu bringen, drehte er ein immer größeres Rad und fuhr die Karre immer mehr in den Dreck. Sein Einstand bestand darin, dass er an der Villa, die ihm die Bank vermietete, rummäkelte. Er verlangte Änderungen, seine Frau verlangte Änderungen. Die Änderungen kosteten dann fünf Millionen Euro. Nun gibt es dort unter anderem einen Weinkeller mit einer Temperaturautomatik.« Als er Manns ungläubigen Gesichtsausdruck bemerkte, setzte Ziemann lächelnd hinzu: »Oh, das sind doch nur Kleinigkeiten, die einem Mann von Welt zustehen. Und so eine Villa ist kein Einzelfall. Es gibt ein Aufsichtsratsmitglied, dessen Frau eine gärtnerische Neigung hat. Als diese Frau den Garten ihrer Villa zum ersten Mal sah, sagte sie entrüstet: Damit kann man ja gar nichts anfangen! Daraufhin fragte die Bank höflich, wie der Garten denn aussehen solle, und die Frau regte eine Umgestaltung an, die rund dreihunderttausend kostete.«
Mann meinte behutsam: »Wenn ich dir zuhöre, kommt mir der Verdacht, dass du führende Bankgesellschaftsmanager jagst.«
Ziemanns Kopf ruckte hoch. Nach ein paar Sekunden begann er breit zu
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